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Mamurt-Kaleh.
noch den Platz betritt, wird sich solchem Eindrücke nicht entziehen, und wir haben
ihn voll empfunden, wie auch Schuchhardt, der mir nach seinem ersten Besuche
schrieb, wie der Ort eine mächtige Anziehungskraft auf das natürliche Religions-
gefühl ausübe. Uber die Eintönigkeit der ganzen nächstumgebenden Bergwelt
hinaus hebt sich der Blick in die Weite über Meer und Land.
Wie auf Samothrake »dieKönige«, so gaben hierPhiletairos und dieSeinigen dem
alten Kultus neue Stattlichkeit. Die Hallen um den Tempel boten geschütztes
Quartier für die Besucher, von deren Anwesenheit die mancherlei Funde zeugen. Eine
starke Ausbesserung eines Bauschadens am Tempel wird, wenn man den Buchstaben-
formen des erneuerten Inschriftschlusses so weit trauen darf, nicht allzu spät statt-
gefunden haben. Von einer eigentlichen Neugestaltung hat sich aber keine Spur ge-
funden; man scheint sich hier nie modernisiert zu haben. Strabo erwähnt noch das
Bestehen des Heiligtumes, die Münzfunde geben Zeugnis vom Besuche bis in die
Kaiserzeit, aber, wie die byzantinische Zeit keine Spuren weiter gelassen hat, so blieb
christliche Umstempelung den Anlagen fern. Der Kultus der großen Göttin, die
noch Kaiser Julian so besonders hochstellt, wird hier oben in gewiß zäher Dauer
endlich vergangen sein. Die Bauten werden allmählich gefallen sein, aber, was fiel,
blieb, neuen ausbeutenden Ortschaften hinlänglich fern, im großen ganzen liegen.
• So trat die Trümmerstätte in einer seltenen Reinheit der Reste aus hellenistischer
Zeit uns entgegen.
Nur ein einziges, ziemlich unbeholfenes Skulpturwerk, spätrömischer Art,
wurde gefunden, das hierunter abgebildete Relief eines Kantharos mit umgebendem
Weinlaub und Trauben und zwei Delphinen; Trachyt, 0,42 m breit, 0,35 m hoch,
o, 18 m dick. Schazmann erklärt: »Ich habe den Eindruck, daß das Relief
in ein Werkstück des Tempels eingemeißelt ist. Der Stein nämlich hat die-
selbe Höhe, 0,35 m, und dasselbe obere Profil, wie die inneren Architravblöcke der
Tempel-Langseiten. Vielleicht ein verworfenes Stück oder von einer Reparatur her-
rührend, sonst müßte man ja annehmen, daß der Tempel zur Zeit, als das Relief
eingemeißelt wurde, schon zusammengebrochen war.« Das dürfte das Wahrschein-
lichste sein; aber auch dann werden die Abzeichen des Reliefs noch als ein Ausfluß
des fortlaufenden, dem Dionysischen Kreise verwandten Kultus der fruchtspendenden
Naturgottheit des Platzes zu verstehen sein.
A. C.
Mamurt-Kaleh.
noch den Platz betritt, wird sich solchem Eindrücke nicht entziehen, und wir haben
ihn voll empfunden, wie auch Schuchhardt, der mir nach seinem ersten Besuche
schrieb, wie der Ort eine mächtige Anziehungskraft auf das natürliche Religions-
gefühl ausübe. Uber die Eintönigkeit der ganzen nächstumgebenden Bergwelt
hinaus hebt sich der Blick in die Weite über Meer und Land.
Wie auf Samothrake »dieKönige«, so gaben hierPhiletairos und dieSeinigen dem
alten Kultus neue Stattlichkeit. Die Hallen um den Tempel boten geschütztes
Quartier für die Besucher, von deren Anwesenheit die mancherlei Funde zeugen. Eine
starke Ausbesserung eines Bauschadens am Tempel wird, wenn man den Buchstaben-
formen des erneuerten Inschriftschlusses so weit trauen darf, nicht allzu spät statt-
gefunden haben. Von einer eigentlichen Neugestaltung hat sich aber keine Spur ge-
funden; man scheint sich hier nie modernisiert zu haben. Strabo erwähnt noch das
Bestehen des Heiligtumes, die Münzfunde geben Zeugnis vom Besuche bis in die
Kaiserzeit, aber, wie die byzantinische Zeit keine Spuren weiter gelassen hat, so blieb
christliche Umstempelung den Anlagen fern. Der Kultus der großen Göttin, die
noch Kaiser Julian so besonders hochstellt, wird hier oben in gewiß zäher Dauer
endlich vergangen sein. Die Bauten werden allmählich gefallen sein, aber, was fiel,
blieb, neuen ausbeutenden Ortschaften hinlänglich fern, im großen ganzen liegen.
• So trat die Trümmerstätte in einer seltenen Reinheit der Reste aus hellenistischer
Zeit uns entgegen.
Nur ein einziges, ziemlich unbeholfenes Skulpturwerk, spätrömischer Art,
wurde gefunden, das hierunter abgebildete Relief eines Kantharos mit umgebendem
Weinlaub und Trauben und zwei Delphinen; Trachyt, 0,42 m breit, 0,35 m hoch,
o, 18 m dick. Schazmann erklärt: »Ich habe den Eindruck, daß das Relief
in ein Werkstück des Tempels eingemeißelt ist. Der Stein nämlich hat die-
selbe Höhe, 0,35 m, und dasselbe obere Profil, wie die inneren Architravblöcke der
Tempel-Langseiten. Vielleicht ein verworfenes Stück oder von einer Reparatur her-
rührend, sonst müßte man ja annehmen, daß der Tempel zur Zeit, als das Relief
eingemeißelt wurde, schon zusammengebrochen war.« Das dürfte das Wahrschein-
lichste sein; aber auch dann werden die Abzeichen des Reliefs noch als ein Ausfluß
des fortlaufenden, dem Dionysischen Kreise verwandten Kultus der fruchtspendenden
Naturgottheit des Platzes zu verstehen sein.
A. C.