Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Curtius, Ernst; Milchhoefer, Arthur
Die Stadtgeschichte von Athen — Berlin, 1891

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5159#0267
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
136

Kimcms Wirksamkeit.

Die enge Hochburg war zu einem geräumigen Festraum und Tempel-
hoden umgestaltet und die Häfen waren mit der Oberstadt so vereinigt,
dass ohne Bruch mit der Vergangenheit Athen selbst eine unangreifbare
Seestadt wurde.

Theseus, der schon die alte Eupatridenstadt geordnet haben sollte
(LXVI 20), war jetzt der Genius der neuen Bürgerschaft. Seine festliche
Heimfuhrung belebte sein Bild wieder im Herzen des Volkes und wurde
ein neues Band volksthümiicher Gemeinschaft. Wie in der Poesie, so
wurde er in Wandgemälden, auf Vasenbildern und in Tempelreliefs neu
gefeiert. Mit ihm lebten seine Genossen wieder auf, Phorbas, sein Wagen-
lenker, dem das Phorbanteion geweiht wurde (LHI 25), und Peirithoos;
in der Nahe des neuen Theseion lag das Horkomosion an der Stätte, wo
die Freunde ihr Bündniss beschworen haben sollten (LIV 72, LXTX 73);
so genau wurden die alten Ueberlieferungcn örtlich festgestellt. Viel-
leicht ist auch der Heros Epitegios, der das Bürgerhaus Hütende, der in
Athen ein Priesterthum hatte, kein Anderer als Theseus. *

Seine Gestalt hatte aber auch eine nationale Bedeutung, welche
Kimon sehr am Herzen lag. Durch ihn traten nun auch die fernen
Inseln, wie Skyros, mit Athen in nahe Beziehung und ihre heimathlichen
Sagen wurden den Athenern vertraut. So stellte Polygnotos, dessen Ein-
bürgerung ein so schönes Beispiel friedlicher Vereinigung zwischen Fest-
land und Inseln war, den Athenern die Königsfamilie des L3rkomedes vor
Augen und seinen gastfreundlichen Hof, die feindlichen Begegnungen
verhüllend. Mikon malte im Theseion Theseus in der Meerestiefe,
wo er sich als einen echten Sohn Poseidons bezeugt, und im Anakeion
einen Vertreter des ältesten Stadtadels, Butes, unter den heimkehrenden
Argonauten. Deutlicher konnte man nicht darauf hinweisen, dass kühne
Seefahrt nichts sei, was dem Herkommen der Eupatriden widerspreche.
Andererseits wurden die Dioskuren und ihre Vermählung mit den lako-
nischen Leukippiden benutzt, um der grossgriechischen Politik, die Kimon
am Herzen lag, einen künstlerischen Ausdruck zu geben. Der alte Gott
der Meliteer wurde mit dem Stammvater der spartanischen Könige ver-
schmolzen; die Aufnahme der aus dem Peloponnes flüchtigen Herakliden
wurde jetzt als die erste der athenischen Grossthaten gepriesen und die
Bündnisstreue gegen die Stammgenossen in der Person des Theseus auf
das Würdigste verherrlicht.

Unverkennbar ist hier eine Gemeinsamkeit des Strebens, ein Zug
der Zeit, die wir die kimonische nennen können. Wir haben den Ein-

* CIA. III, 291. W. Yischer, Kleine Schriften, II, 360.
 
Annotationen