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Die Propyläen.
die stolzen Mauerbauten Kimons in keiner Weise beeinträchtigen sollte,
aber an Originalität und Grossartigkeit alle früheren Gebäude überbot. Es
war eine vielgegliederte Anlage; denn sie umfasste den Aufgang aus der
Unterstadt, zweitens den Eingang zur Burg mit einer vorgebauten Säulen-
halle, durch welche die Festzüge zu Wagen, zu Pferde und zu Fuss
feierlich einziehen sollten, und endlich die Verbindung der Thorhalle mit
dem Innern der Akropolis. Die Säulenhalle vor dem Eingangsthore war
der Haupttheil des Gebäudes. Darum nannte man es das Propylaion
oder die Propyläen (LXXVII 44); es sollte der Abschluss aller Burgbauten
sein und der Akropolis an ihrer Stirnseite das charakteristische Aussehen
geben; der Uebergang aus dem Alltagsleben zu den Festräumen der
stadtschirmenden Gottheiten sollte hier in würdevollster Weise zum Aus-
druck kommen. *
Zu den technischen Schwierigkeiten kamen andere, welche erst fühl-
bar wurden, als der Bauplan gereift war. Der Raum war hier nicht so
frei, wie auf den neu geschaffenen Terrassen oben; es kam also zu pein-
lichen Verhandlungen über die Verhältnisse an Grund und Boden; denn
der Bauplan liess sich nicht durchführen, ohne Grundstücke in Anspruch
zu nehmen, welche den benachbarten Heiligthümern zugehörten. Dabei
verwahrten sich die Priesterkollegien gegen jede Beeinträchtigung von
Tempelboden. Die Götter sollten in ihrem Besitze nicht aufgestört werden,
die Bahnen des Gottesdienstes keine Aenderung erleiden; den rücksichts-
losen Plänen dekorativer Prachtbauten sollte die religiöse Weihe der Burg-
höhe nicht geopfert werden.
Der priesterliche Einspruch wurde von den politischen Gegnern des
Perikles unterstützt, so dass seine Lieblingspläne zum ersten Male auf
unüberwindliche Schwierigkeiten stiessen.
Die ursprüngliche Absicht war, dem Mittelbau der Propyläen zwei
einander vollkommen entsprechende Flügelbauten anzuschliessen, welche
die ganze, 55 Meter messende Breite des Burgfelsens überspannen sollten.
Im Norden stand nichts im Wege, bis an den abschüssigen Felsrand vor-
zugehen, wenn hier auch ältere Gründungen überbaut werden mussten
S. 145); der Südflügel aber berührte das Tempelgebiet der Athena Nike,
und würde, wenn er dem nördlichen entsprechen sollte, den festlichen Zu-
gang zum Altar der Göttin gesperrt haben.
Ausserdem war die Anlage zweier geräumiger Hallen beabsichtigt,
einer Südost- und einer Nordost-Halle, welche rechts und links vom Mittel-
* to IlQoTivXaiov der offizielle Name CIA. I 314; Polyaen, Strategicon 8,45.
Mittheilungen des athen. Inst. II, 99.
Die Propyläen.
die stolzen Mauerbauten Kimons in keiner Weise beeinträchtigen sollte,
aber an Originalität und Grossartigkeit alle früheren Gebäude überbot. Es
war eine vielgegliederte Anlage; denn sie umfasste den Aufgang aus der
Unterstadt, zweitens den Eingang zur Burg mit einer vorgebauten Säulen-
halle, durch welche die Festzüge zu Wagen, zu Pferde und zu Fuss
feierlich einziehen sollten, und endlich die Verbindung der Thorhalle mit
dem Innern der Akropolis. Die Säulenhalle vor dem Eingangsthore war
der Haupttheil des Gebäudes. Darum nannte man es das Propylaion
oder die Propyläen (LXXVII 44); es sollte der Abschluss aller Burgbauten
sein und der Akropolis an ihrer Stirnseite das charakteristische Aussehen
geben; der Uebergang aus dem Alltagsleben zu den Festräumen der
stadtschirmenden Gottheiten sollte hier in würdevollster Weise zum Aus-
druck kommen. *
Zu den technischen Schwierigkeiten kamen andere, welche erst fühl-
bar wurden, als der Bauplan gereift war. Der Raum war hier nicht so
frei, wie auf den neu geschaffenen Terrassen oben; es kam also zu pein-
lichen Verhandlungen über die Verhältnisse an Grund und Boden; denn
der Bauplan liess sich nicht durchführen, ohne Grundstücke in Anspruch
zu nehmen, welche den benachbarten Heiligthümern zugehörten. Dabei
verwahrten sich die Priesterkollegien gegen jede Beeinträchtigung von
Tempelboden. Die Götter sollten in ihrem Besitze nicht aufgestört werden,
die Bahnen des Gottesdienstes keine Aenderung erleiden; den rücksichts-
losen Plänen dekorativer Prachtbauten sollte die religiöse Weihe der Burg-
höhe nicht geopfert werden.
Der priesterliche Einspruch wurde von den politischen Gegnern des
Perikles unterstützt, so dass seine Lieblingspläne zum ersten Male auf
unüberwindliche Schwierigkeiten stiessen.
Die ursprüngliche Absicht war, dem Mittelbau der Propyläen zwei
einander vollkommen entsprechende Flügelbauten anzuschliessen, welche
die ganze, 55 Meter messende Breite des Burgfelsens überspannen sollten.
Im Norden stand nichts im Wege, bis an den abschüssigen Felsrand vor-
zugehen, wenn hier auch ältere Gründungen überbaut werden mussten
S. 145); der Südflügel aber berührte das Tempelgebiet der Athena Nike,
und würde, wenn er dem nördlichen entsprechen sollte, den festlichen Zu-
gang zum Altar der Göttin gesperrt haben.
Ausserdem war die Anlage zweier geräumiger Hallen beabsichtigt,
einer Südost- und einer Nordost-Halle, welche rechts und links vom Mittel-
* to IlQoTivXaiov der offizielle Name CIA. I 314; Polyaen, Strategicon 8,45.
Mittheilungen des athen. Inst. II, 99.