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AMELUNGSBORN • EHEMALIGES ZISTERZIENSERKLOSTER
lungsborn eine Klosterschule gegründet. Die einzigen erwähnenswerten Baumaßnahmen dieser Periode fanden unter
dem ersten, zwischen 1588 und 1598 amtierenden protestantischen Abt Vitus II. Buchius (Buch) statt: Die Kloster-
mauern wurden wiederaufgebaut und verlängert; die Klosterkirche bekam einen hölzernen Dachreiter, der auf dem
Merianstich von 1652 noch zu sehen ist, jedoch nach einem Brand 1684 durch eine »Welsche Haube« ersetzt wurde
(Fig. 38). Im Verlauf der weiteren Jahrhunderte erlebte das Kloster allerdings einen Niedergang; selbst die Kloster-
schule verlegte man 1760 nach Holzminden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Wirtschaftsgebäude und der
Kreuzgang bereits Ruinen, und man versuchte sogar, das Langhaus der Klosterkirche in einen Schafstall zu verwan-
deln14.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rückte dann die verwüstete Klosteranlage immer mehr ins Blickfeld; in den
i84oer-Jahren, als der beweinenswerte Zustand des Baues ruchbar geworden war15, wurden auf Betreiben des Kreis-
baumeisters Haarmann einige Teile der Klosterkirche - einzelne Strebepfeiler des Langhauses und die südliche Sei-
tenschiffswand - erneuert, die baufälligen Anbauten wie die Abtskapelle, die Klausur und der Kreuzgang jedoch
abgerissen. Erst 1874 fanden Regierung und Landesvertretung Mittel für umfangreiche, planmäßige Restaurierungs-
arbeiten, die unter der Aufsicht von Baurat Wiehe und Architekt Hans Pfeifer zwischen 1874 und 1896 ausgeführt
wurden16.
Die letzte und aufwendigste Restaurierungskampagne war durch die zahlreichen Schäden infolge des Zweiten Welt-
krieges bedingt. Durch massiven Artilleriebeschuss und einen Luftangriff der Amerikaner, die hier ein Widerstands-
nest der SS vermuteten, wurden Anfang April 1945 fast alle Gebäude des dem Anschein nach »kriegssicheren« Klos-
ters in Mitleidenschaft gezogen. Durch einen direkten Bombentreffer wurden mehrere Pfeiler des romanischen
Langhauses, das Dach des südlichen Querhausarmes sowie der Turm schwer beschädigt. Den größten Schaden erlitt
jedoch das östliche Prachtfenster, das durch die Detonationen zerrissen und fast völlig zerstört wurde17. Bis 1959 dau-
erten die Wiederherstellungsarbeiten. Seit 1955 ist das rekonstruierte Kloster Amelungsborn mitsamt allen Gebäuden
im Besitz der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.
Geschichte der Verglasung: Traut man dem Klosterinventar von 1639, so waren damals noch alle zwölf Fenster
des Chores mit Glasmalereien versehen18. Das von Georg J. E. Herweg zwischen 1750 und 1753 verfasste Haupt-
buch des Klosters nennt ein großes und schön gemahltes Fenster über dem hohen Altar, darin verschiedene biblische
Historien und das ganze Leben, Leiden und Sterben Jesu Christi befindlich, weitere neun Fenster in den beiden
Chorseitenwänden19 *, ‘welche zum Theil gemahlet, sowie über der Thür nach dem Kirchhofe ein sehr großes Fenster,
darin verschiedene Bilder gemahlet1^. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt also noch zehn Chorfenster und das
Querhausfenster ganz oder zumindest partiell farbig verglast.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat man im nördlichen Seitenschiff des Chores das an die Ost-
wand des Querhauses angrenzende Fenster nord VII wegen eines davor errichteten Holzstalls zugemauert21.
Dies erklärt auch, weshalb im Jahr 1819 nur noch neun Fenster mit gemalten Scheiben erwähnt wurden22. Der
baulichen Situation entsprechend muss es sich hier ausschließlich um die Chorfenster gehandelt haben, denn
das nördliche Querhausfenster war zu diesem Zeitpunkt durch das bereits erwähnte Stallgebäude und das an-
grenzende, zwischen 1760 und 1790 errichtete Verwalterhaus komplett verdunkelt und kaum noch wahrzu-
nehmen. Möglicherweise hat dieser Missstand dazu beigetragen, dass um das Jahr 1838 ingesamt zwölf Felder
14 Kdm. Holzminden 1907, S. 120.
15 Auszug aus einem Brief des Pastors Steinmann an die Herzogliche
Baudirektion vom Februar 1835 (Klosterarchiv Amelungsborn): Ich
sah alle meine Erwartungen hei weitem übertroffen, weil ich einen
noch schöneren, hehreren Bau vor mir sah, als ihn sich meine Phantasie
ausgemalt hatte; aber mehr, bei weitem mehr noch übertroffen durch
den, ich möchte sagen, beweinenswerten Zustand, in den das so schöne,
merkwürdige Gebäude geraten war [...].
D Pfeifer 1896, S. 12k
17 Vgl. Göhmann 2001, S. 32h
Inventarium des Klosters Amelungsborn, 1638-39, NLA WO, 4
Alt 3 Amelb, Nr. 5430, St. 2, ohne Seitenzählung. Durch Dürre 1876,
S. 12, irrtümlicherweise 1637 datiert, wurde dieses Datum in die spä-
tere Literatur übernommen.
D Herweg zählt in der nördlichen Chorseite sechs und in der süd-
lichen nur drei Fenster auf, da sich im Süden anstelle eines Fensters
eine Wendeltreppe zum Obergeschoss des Dormitoriums befand und
zwei weitere Fenster zu diesem Zeitpunkt wegen des angrenzenden
Konventshauses mit Steinplatten verblendet waren. Vgl. hierzu Mah-
renholz 1991, S. 28, Anm. 2.
2° Haupt Buch der Kirche des Klosters Amelunxborn [...] von Pastor
Herweg, Abschrift nach einer Kopie in der Klosterbibliothek Ame-
lungsborn, S. 5-7 (s. Reg. Nr. 1); publiziert in: Göhmann 2001, S. 53k
21 Nach Angaben von Mahrenholz 1991, S. 28.
22 Kdm. Holzminden 1907, S. 131, leider ohne Quellennachweis.
23 Kdm. Holzminden 1907, S. 131; Mahrenholz 1991, S. 29, 37-39.
24 Kdm. Holzminden 1907, S. 132k; Kdm. Blankenburg 1922, S. 73;
Helbig 1961, S. 26k, Fig. 6; Wentzel 1965, S. 142.
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lungsborn eine Klosterschule gegründet. Die einzigen erwähnenswerten Baumaßnahmen dieser Periode fanden unter
dem ersten, zwischen 1588 und 1598 amtierenden protestantischen Abt Vitus II. Buchius (Buch) statt: Die Kloster-
mauern wurden wiederaufgebaut und verlängert; die Klosterkirche bekam einen hölzernen Dachreiter, der auf dem
Merianstich von 1652 noch zu sehen ist, jedoch nach einem Brand 1684 durch eine »Welsche Haube« ersetzt wurde
(Fig. 38). Im Verlauf der weiteren Jahrhunderte erlebte das Kloster allerdings einen Niedergang; selbst die Kloster-
schule verlegte man 1760 nach Holzminden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Wirtschaftsgebäude und der
Kreuzgang bereits Ruinen, und man versuchte sogar, das Langhaus der Klosterkirche in einen Schafstall zu verwan-
deln14.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rückte dann die verwüstete Klosteranlage immer mehr ins Blickfeld; in den
i84oer-Jahren, als der beweinenswerte Zustand des Baues ruchbar geworden war15, wurden auf Betreiben des Kreis-
baumeisters Haarmann einige Teile der Klosterkirche - einzelne Strebepfeiler des Langhauses und die südliche Sei-
tenschiffswand - erneuert, die baufälligen Anbauten wie die Abtskapelle, die Klausur und der Kreuzgang jedoch
abgerissen. Erst 1874 fanden Regierung und Landesvertretung Mittel für umfangreiche, planmäßige Restaurierungs-
arbeiten, die unter der Aufsicht von Baurat Wiehe und Architekt Hans Pfeifer zwischen 1874 und 1896 ausgeführt
wurden16.
Die letzte und aufwendigste Restaurierungskampagne war durch die zahlreichen Schäden infolge des Zweiten Welt-
krieges bedingt. Durch massiven Artilleriebeschuss und einen Luftangriff der Amerikaner, die hier ein Widerstands-
nest der SS vermuteten, wurden Anfang April 1945 fast alle Gebäude des dem Anschein nach »kriegssicheren« Klos-
ters in Mitleidenschaft gezogen. Durch einen direkten Bombentreffer wurden mehrere Pfeiler des romanischen
Langhauses, das Dach des südlichen Querhausarmes sowie der Turm schwer beschädigt. Den größten Schaden erlitt
jedoch das östliche Prachtfenster, das durch die Detonationen zerrissen und fast völlig zerstört wurde17. Bis 1959 dau-
erten die Wiederherstellungsarbeiten. Seit 1955 ist das rekonstruierte Kloster Amelungsborn mitsamt allen Gebäuden
im Besitz der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.
Geschichte der Verglasung: Traut man dem Klosterinventar von 1639, so waren damals noch alle zwölf Fenster
des Chores mit Glasmalereien versehen18. Das von Georg J. E. Herweg zwischen 1750 und 1753 verfasste Haupt-
buch des Klosters nennt ein großes und schön gemahltes Fenster über dem hohen Altar, darin verschiedene biblische
Historien und das ganze Leben, Leiden und Sterben Jesu Christi befindlich, weitere neun Fenster in den beiden
Chorseitenwänden19 *, ‘welche zum Theil gemahlet, sowie über der Thür nach dem Kirchhofe ein sehr großes Fenster,
darin verschiedene Bilder gemahlet1^. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt also noch zehn Chorfenster und das
Querhausfenster ganz oder zumindest partiell farbig verglast.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat man im nördlichen Seitenschiff des Chores das an die Ost-
wand des Querhauses angrenzende Fenster nord VII wegen eines davor errichteten Holzstalls zugemauert21.
Dies erklärt auch, weshalb im Jahr 1819 nur noch neun Fenster mit gemalten Scheiben erwähnt wurden22. Der
baulichen Situation entsprechend muss es sich hier ausschließlich um die Chorfenster gehandelt haben, denn
das nördliche Querhausfenster war zu diesem Zeitpunkt durch das bereits erwähnte Stallgebäude und das an-
grenzende, zwischen 1760 und 1790 errichtete Verwalterhaus komplett verdunkelt und kaum noch wahrzu-
nehmen. Möglicherweise hat dieser Missstand dazu beigetragen, dass um das Jahr 1838 ingesamt zwölf Felder
14 Kdm. Holzminden 1907, S. 120.
15 Auszug aus einem Brief des Pastors Steinmann an die Herzogliche
Baudirektion vom Februar 1835 (Klosterarchiv Amelungsborn): Ich
sah alle meine Erwartungen hei weitem übertroffen, weil ich einen
noch schöneren, hehreren Bau vor mir sah, als ihn sich meine Phantasie
ausgemalt hatte; aber mehr, bei weitem mehr noch übertroffen durch
den, ich möchte sagen, beweinenswerten Zustand, in den das so schöne,
merkwürdige Gebäude geraten war [...].
D Pfeifer 1896, S. 12k
17 Vgl. Göhmann 2001, S. 32h
Inventarium des Klosters Amelungsborn, 1638-39, NLA WO, 4
Alt 3 Amelb, Nr. 5430, St. 2, ohne Seitenzählung. Durch Dürre 1876,
S. 12, irrtümlicherweise 1637 datiert, wurde dieses Datum in die spä-
tere Literatur übernommen.
D Herweg zählt in der nördlichen Chorseite sechs und in der süd-
lichen nur drei Fenster auf, da sich im Süden anstelle eines Fensters
eine Wendeltreppe zum Obergeschoss des Dormitoriums befand und
zwei weitere Fenster zu diesem Zeitpunkt wegen des angrenzenden
Konventshauses mit Steinplatten verblendet waren. Vgl. hierzu Mah-
renholz 1991, S. 28, Anm. 2.
2° Haupt Buch der Kirche des Klosters Amelunxborn [...] von Pastor
Herweg, Abschrift nach einer Kopie in der Klosterbibliothek Ame-
lungsborn, S. 5-7 (s. Reg. Nr. 1); publiziert in: Göhmann 2001, S. 53k
21 Nach Angaben von Mahrenholz 1991, S. 28.
22 Kdm. Holzminden 1907, S. 131, leider ohne Quellennachweis.
23 Kdm. Holzminden 1907, S. 131; Mahrenholz 1991, S. 29, 37-39.
24 Kdm. Holzminden 1907, S. 132k; Kdm. Blankenburg 1922, S. 73;
Helbig 1961, S. 26k, Fig. 6; Wentzel 1965, S. 142.