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einrollende Rundstab die Unterkante des Horizontal-
kanalis überschreitet, entwickelt sich gegen die Kapitell-
mitte gerichtet, also der Drehung der Yolute entgegen-
gesetzt, zu einem schlanken, geriefelten Kelchstengel
(F 397 Tf. 162; F 398 Tf. 163). Dieser trägt ein pracht-
voll lebendig und naturalistisch modelliertes, einsei-
tiges, nach unten geöffnetes Akanthushülsenblatt (F 404
Tf. 191), das mit seinen runden Blattaugen dem Akan-
thuslaub der korinthischen Halbsäulenkapitelle verwandt
ist und aus dem die vierblättrige, den Volutenwinkel
deckende Halbpalmette hervorwächst. Mit ihren teil-
weise ganz freigearbeiteten und stark herausmodellierten
Blättern überzieht letztere das äußere Eiblatt fast bis zum
unteren Echinusrand, so daß dieses in den Blattzwischen-
räumen wie durch ein Gitter erscheint, wobei ihr oberstes
längstes Blatt bis auf die Mitte des folgenden Eies reicht
(F 393, 397 Tf.162; F398 Tf.163; F404 Tf.191). Diese
großen und üppigen Palmettengebilde bestimmen neben
den klaren und sich kräftig herabschwingenden Yoluten
wesentlidi den Eindruck der Kapitelle, sie bieten eine
gewisse Gegenwirkung gegenüber den strengen Formen
des ganzen Aufbaues, die ohne sie leicht etwas nüchtern
erscheinen könnten. Auf den 0,124 m im Durchmesser
großen ebenen Augenscheiben der Schnecken haben sich
teilweise der Einsatzpunkt des Zirkels und über ihre
ganze Fläche reichende Einritzungen erhalten (F 397
Tf. 162; F 398 Tf. 163). Diese sich im Zwickelpunkt
kreuzenden vier Ritzlinien entsprechen den senkrechten
und horizontalen Achsen und den beiden Diagonalen;
daraus geht hervor, daß der Steinmetz die Voluten nicht
auf dem Stein konstruiert, sondern durch Abgreifen der
auf den Achsen und Diagonalen gelegenen Voluten-
schnittpunkte nach der Werkzeichnung aufgerissen hat.

Das Polster ist zwischen den durch Doppelrundstab
und Plättthen gebildeten Rändern der vorderen und
hinteren Volute nach der Mitte hin oben, unten und vorn
starlc eingezogen, so daß über ihm bis zum Abakus eine
hohe, senkrechte Fläche verbleibt und dasselbe in der
Mittelachse einen, einer Ellipse mit aufrecht stehender
großer Achse ähnelnden, Querschnitt erhält. Die Mitte
des Polsters wird durch einen mit Reihen schuppenartig
übereinandergreifender, hängender Lorbeerblätter ge-
schmückten Gurt eingenommen, welcher seitlich durch je
zwei Rundstäbe begrenzt wird. An letztere schließen sich
auf den dem Gurt abgekehrten Seiten den anlaufartigen
Übergang zu den seitlichen glatten Polsterflächen ver-
mittelnde Plättchen. Der Abakus hat als Profil einen
plastischen, oben frei endigenden, unten unmittelbar
ohne Plättchen über dem Kanalisrundstab und an den
Polsterseiten über der senkrechten Fläche ansetzenden,
tief herausgearbeiteten Eierstab von je zehn, in derForm
denjenigen des Echinus ähnlichen Eisystemen sowie an
den Ecken stehende Blütenpalmetten.

Eine eigentümlidie unerklärte Einzelheit zeigen die
Kapitelle der beiden fertigen stehenden Säulen und eines
der gestürzten Kapitelle, die bei den übrigen Kapitellen
und auch bei der unfertigen Säule fehlt. In der Mitte des
Polstergurtes, ungefähr in der Hälfte seiner Höhe, ist
nämlich liier ein rundesLoch eingearbeitet (F 391 Tf. 146;
F 403 Tf. 161), das nur irgendwie mit der Einrüstung
der Säulen in Zusammenhang stehend gedacht werden

kann. Vielleicht dienten diese Löcher dazu, eiserne Haken
zur Befestigung eines Fahrgerüstes aufzunehmen, das
für die letzten, feinsten Nacharbeiten benutzt wurde.

In der gesetzmäßigen, ein immer stärkeres Zusammen-
schrumpfen des horizontalen Kanalis gegeniiber dem
Echinus zeigenden Entwicklungsreihe und mit dem gänz-
lichen Verschwinden einer unteren Begrenzung und
Trennung des Kanalis von dem Echinus stehen diese
schönen Kapitelle etwa zwisdien denjenigen des Pytheos
in Halikarnassos und Priene und den einerseits nüch-

Voluten, Polster,
Abakus

Zeitl. Stellung der

Säulenkapitelle.

Eckkapitelle

der Innenreihen.

Kapitelle

der Außenreihen

terneren und andererseits reicher verzierten Kapitellen
der römischen Zeit.

Die Eckkapitelle der inneren Reihe hatten die normale
Bildung des jonischen Eckkapitells. Von der südöstlichen
Ecksäule ist das abgespellte Stück der herausgedrehten
Diagonalvolute erhalten - sichtbar bei Pontremoli-Haus-
soullier auf der Frontansicht Seite 65, in der Mitte des
Bildes auf den Stufen Iiegend —, und der gänzlich ver-
brannte Block des nordöstlichen Eckkapitells ist durch
den Rest der inneren einspringenden Volutenecke als
solches erkennbar.

Da die Kapitelle nicht schematisch und gleidizeitig her-
gestellt sind, jedes Stiick vielmehr seine individuelle
Eigenart hat, gelten die hier und im folgenden gegebenen
Maße natürlich genau nur für ein einzelnes Exemplar,
gegen das andere Stücke wieder mancherlei kleinere
Maßunterscliiede zeigen.

Wesentlich anders gestaltet als die Kapitelle der Innen-
reihen und des Dodekastylos sind diejenigen der äußeren
Ringhallenreihen, von denen sich Exemplare vor der
Ostfront, bei der Nordwestedte und vor der Westfront
gefunden liaben (F 411, 412 Tf. 164; F 413, 416 Tf. 165;
F414, 415 Tf. 111; Z417—419 Tf. 55; Z420, 421 Tf.54;
Z 422—424 Tf.53; F56 Tf. 39; F57 Tf.38). Die auf-
fälligste Abweichung gegen jene besteht darin, daß die
Polster, statt in der Form der feinen, glatten, in schöner
Kurve gegen die Voluten anlaufenden Wulste, wie bei
den Kapitellen des Hermogenes als quergelegte Blatt-
kelche gebildet sind. Von dem auch hier mit hängenden
Lorbeerblättern zwischen seitlichen Doppelrundstäben
geschmüdcten Mittelgurt wächst an jeder Seite ein Kranz,
durch Rand und tiefe Mittelrippe fleischig und stark ge-
gliederter, länglich rundlicher und an der Wurzel zu-
sammenhängender Blätter horizontal heraus, hinter
denen, auf die Blattlücken gestellt, ähnlich modellierte
längliche Schilfblätter hervorsprießen. Letztere wölben
sich kelchartig vor, um mit ihren Spitzen den inneren
Rand der Schnecken zu berühren. Jede Polsterliälfte
stellt so ein Gebilde dar, das in seiner Kelchform an ein
umgelegtes Kapitell, etwa in der Art derjenigen vom
Turm der Winde, erinnert. Eine abweichende Gestaltung
dieses Blattschmuckes zeigt das bei der Nordwestecke
gefundene Kapitell (F 57 Tf. 38; F 414, 415 Tf. 111).
An Stelle der zwei Reihen verschiedener Blattbildungen
ist hier der Kelchkörper von vier hintereinander her-
vorwachsenden und im Wechsel versetzten Reihen unter
sich gleichartiger, sehr lebendig und fein modellierter
Blätter belegt. Leider istdieses schön gearbeiteteKapitell
stark verstiimmelt, so daß bei ilirn die Gestalt des Echinus
und des Abakus nicht mehr festzustellen ist.

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