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Beilage zu M 38 der „Dioskuren".

Knabe —• das sieht man ans den ersten Blick — aber in der Farbe, nament-
lich des Fleisches, hat er zu viel Menschliches an sich, als daß hierin nicht
ein gewisser Widerspruch mit dem geistigen Ausdruck der Erscheinung sich
bemerkbar machte. Außerdem möchten wir ein kleines Bedenken gegen die
Behandlung des Haares geltend machen; es sieht allzu zerzaust und selbst
etwas perrückenartig aus. Endlich scheint uns auch das linke Bein vom Knie
bis zuin Fuß im Verhältniß zur ganzen Figur etwas kurz geratheu. Abge-
sehen von diesen Aeußerlichkeiten, deren Erwähnung nur durch den in der
hervorragenden Bedeutsamkeit der künstlerischen Stellung des Meisters be-
gründeten höheren Maßstab kritischer Beurtheiluna geboten ist, reiht sich dies
Gemälde Schräders den gediegensten und schönsten Werken an, welche in
neuerer Zeit geschaffen wurden.

Unter den andern Figurenbitdern erwähnen wir H. Brücke's „Neapo-
litanischer Fischerknabe", welcher, ans dem Bollwerk des Ufers stehend, den
Vorübergehenden sein „Andate sul mare, sul raare fa fresco!“ zuruft. Das
Bildchen ist hübsch komponirt und recht kräftig gemalt, obschon der Knabe
für die Neapolitanische Sonne etwas zart und sauber anssieht. Ein zweites
Bild von demselben Künstler: „Flandrisches Bauernmädchen" ist noch dnrch-
gearbeiteter und wie in der Komposition noch abgerundeter, so auch in der
Farbe klangvoller und gediegener als das erstgenannte. Von geringerer Be-
deutung sind Raymond de Beaux's „Odalrske und Mohrin" und Grün-
wald's „Portrait eines Znaven", welcher einer der ersten ans dem Malakofs
war. Auch Bohn's „Heimkehr des Vaters", so hübsch es in dem figürlichen
Motiv gedacht ist, macht doch durch die flaue und körperlose Flachheit der
räumlich bedeutenden Landschaft keinen guten Eindruck. ■—Dagegen müssen
wir eine Landschaft von H. Schultz anerkennend erwähnen, welche unter dem
Titel: „Eichen am Wasser" ein Stückchen Natur mit ungemeiner Liebe und
tiefem Gefühl für das gemüthliche Element der einfachen Natur darstellt.
Namentlich sind die Eichen selbst vortrefflich, ebenso der etwas ferne Mittel-
grund. Weniger dagegen ist dem Künstler die Luft gelungen, die nicht Tiefe
und Klarheit genug besitzt und znsehr an den Freskomaler erinnert. Auch
das Wasser könnte wohl etwas klarer und tiefer in der Farbe sein. Im-
merhin hat das Bild eine sehr ansprechende Wirkung. M, Sr.

2. Die Ausstellung der Berliner Künstlergemeinde. — Nach-
dem wir vor einiger ■ Zeit über die Tendenz und Art der Wirksamkeit der
Künstlergemeinde uns ausgesprochen,^) wollen wir heute einen Blick ans die
Gemäldeausstellung desselben werfen, welche sich Seitens des knnstliebenden
Publikums einer recht regen Theilnahme erfreut. Wir müssen zunächst be-
merken, daß die Ausstellung nicht blos Werke der Bereinsmitglieder enthält,
sondern daß auch andere Künstler von Bedeutung sowohl aus Berlin selbst
als von auswärts darin zahlreich vertreten sind. Wir nennen beispielsweise
die größeren Gemälde von Schräder, Bleibtreu, Stcffeck, Fr. Kai-
ser, Amberg, Max Schmidt, A. Herrenburger, B. Girscher u. s. f.

■— Gegenwärtig sind, seit dem letzten Wechsel, eine Reihe von Bildern ans-
gestellt, welche einen Besuch sehr lohnend machen. Unter den Figurenbildern
nimmt Prof. Schräder's „Männliches Portrait" einen hervorragenden Rang
ein. Es ist meisterhaft gemalt und von bedeutender geistiger Wirkung. Außer-
dem ist ein Cyklns von Zeichnungen von Fr. Kaiser zu nennen, welche
Kompositionen aus dem kriegerischen Felddicnst darstellen. Bon bewunderns-
würdiger Kraft der Charakteristik, namentlich was Haltung und Bewegung
der Thiere betrifft, zeigen sic auch eine meisterhafte Technik, deren energischer
und prägnanter Charakter den Gegenständen der Darstellung durchaus ange-
paßt ist. — Die „Slowaken" von Huth erinnern wir uns schon im Knnst-
vereinslokal ausgestellt gesehen zu haben. Es spricht sich darin zwar noch
eine gewisse Unsicherheit in der Handhabung der technischen Darstellungsmittel
aus; namentlich fehlt es der Zeichnung noch an charakteristischer Wahrheit.
Allein daS ersichtliche Streben nach Kraft und Harmonie des Kolorits, sowie
nach sorgfältiger Ausführung versprechen für die Zukunft wohl recht Tüch-
tiges. — L. Löffler, unser pointenreicher Charakterzeichner, hat eine größere
figurenreiche Zeichnung, betitelt „Hinter den Kulissen" ausgestellt, welche eine
höchst ergötzliche und charakteristische Scene bei einem Liebhabertheater darstellt,
deren Theilnehmer der vornehmen Gesellschaft angehören. — Unter den Land-
schaften heben wir das große Bild von Albert Schwartz „Jffinger bei
Meran", welches noch immer die Ausstellung schmückt, hervor. Es ist ein
Alpenglühen von großer Schönheit und Milde; kein Effektstück von wohl-
feilem Naturalismus und augenblendender Wirkung, sondern von künstle-
rischer Wahrheit. Der Künstler scheint sogar, um nicht in den Verdacht des
poesielosen Naturalismus zu verfallen, absichtlich etwas zu weit diesseits der
zulässigen Wirkung'sgrenze geblieben zu sein, da seine Steigernngsskala eine
sehr gemäßigte ist. So sehr wir daher das Bestreben anerkennen, überall
die Vermittlungs-Töne erkennbar zu machen, und die strengen Kontraste
in einen harmonischen Zusammenhang zu bringen, so glauben wir doch,
daß er gerade deshalb die Steigerung der Skala hätte entschiedener machen
können, ohne der künstlerischen Schönheit der Wirkung Eintrag zu thnn. Wir
können deshalb nicht verhehlen, daß der Gesammteindruck trotz seiner Har-
monie etwas Flaues und Flaches enthält, welches hauptsächlich einerseits in
der zu großen Kraftlosigkeit des Vordergrundes, andererseits in dem Mangel
an Leuchtkraft der glühenden Berge liegt. — Ein ausgezeichnetes Bild ist
ferner Pohle's „Landschaft mit spielenden Kindern". Eine große Klarheit
und Delikatesse der Farbe, verbunden mit hinlänglicher Freiheit in der Be- *)

*) Siehe dazu das Programm desselben in der heutigen Nummer unter der
Rnbrick „Kunstinstitute u. s. w.". D. R.

Handlung, verleihen deni auch durch das Motiv sehr malerischen Bilde eine
große Anziehungskraft. Links und rechts erblickt man Anhöhen, mit Bäumen
besetzt, und in der Mitte zieht sich ein breiter Fahrweg ein, welcher einen
Durchblick auf die Ferne eröffnet. Der Vordergrund hätte vielleicht etwas
mehr oder doch charakteristischer ansgeführt sein können. —• Von Eschkc ist
ein recht gediegenes Bild vorhanden: „Le mont St. Niclas et la greve“.
Es stellt eine flache, mit Wasserlachen bedeckte Ufergegend dar, auf deren
Mitte sich im Mittelgründe ein einzelner steiler Fels emporhebt, der mit einem
alten Schlosse gekrönt ist. Das Kolorit ist tief und kräftig, wiewohl vielleicht
etwas zu farblos; die Zeichnung, namentlich deS perspektivisch zurückweichenden
Terrains, vortrefflich durchgeführt. Einige Aehnlichkeit int Motiv hat Th.
Weber's „Bay Elisabeth auf Jersey", obwohl es in der Wirkung nnd Be-
handlung sehr verschieden davon ist. Ein warmer Grundton, dem es. nur im
Vordergründe an hinlänglicher Kraft in der Lokalfarbe fehlt, giebt dem Bilde
einen anziehenden Charakter. Eine reiche und interessante Staffage von
Fischern, die sich um ein auf dem Strande liegendes großes Boot gruppiren,
verleihen dem Ganzen ein recht lebendiges Ansehen. Ein anderes Bild von
demselben Künstler: „Marine", welches eine hellbelenchtete nnd bewegte See
darstellt, steht dem ersteren an Gediegenheit des Kolorits und auch in tech-
chnischer Beziehung nach. — Gräf'S „Kinder aut Strande" ist ein anspre-
chendes Bild von bedeutender Wirkung. Zwei Fischerkinder haben, scheint
es, im ruhigen Wasser des Meeres, auf dem sich die heiße Mittagssonne
spiegelt, gebadet. DaS eine liegt ans den Rücken und schaut in den Himmel
hinein, während das andere, grade in der Linie der Sonnenspiegelung stehend,
in die Ferne starrt. Meer und Luft stimmen vortrefflich zusammen.

Die übrigen Bilder noch kurz zusammen fassend, erwähnen wir noch zwei
kleine, aber sehr ansprechende und trefflich ausgeführte Bilder von Gir-
schcr „Mühle ans dein Böhmerwalde" und „Am Attarsee", eine „Land-
schaft" von Herrenbnrger, welche jedoch etwas Verblasen im Gesammtton
nnd zu wenig ausgeführt als Bild ist, eine „Partie am Oschmiensee im
Berner-Oberlande" von Engelhardt, „die Zugspitze im baierischcn Hoch-
lande" von Fr. Krause, „Küstengegend" ein gut effektnirtes nnd originell
komponirtes Bild von demselben Künstler; sowie endlich eine Reihe vortreff-
licher „Studien in Oel" von B. Girscher. M. Sr.

3. Die Permanente Gemäldeausstellung von Sachse hat seit

unseren letzten Bericht einige neue Bilder von Bedeutung aufgestellt, wovon
wir das eine, die „Gemäldeversteigerung" von Willems, schon früher bei
Gelegenheit feiner Ausstellung im Lokal des Kunstvereins besprochen haben.
Es gehört der Gemäldegalerie des Herrn Kommerzienraths Ravens an nnd
läßt bei seiner jetzigen günstigeren Beleuchtung die ausgezeichnete Schönheit
seines Kolorits, sowie die überaus feine Charakteristik der einzelnen zahlreichen
Figuren noch frappanter zur Wirkung kommen. Das zweite ist dach neueste
Werk Riedel's: „Badendes Mädchen", ein Salonstück im besseren Sinne des
Worts. Von sehr gefälliger Komposition, namentlich was die Haltung des
Körpers und den Ausdruck des Kopses betrifft, zeichnet es sich durch ein sehr
lebendiges und naturwahres Kolorit deS Fleisches aus, mehr jedoch, wie uns
dünkt, nn Lickst als in den Schatten. Letztere erschienen uns etwas schwärzlich,
gleichsam räucherig im Ton nnd nicht durchsichtig genug. Aber der Kontrast
zwischen Licht- und Schattenflächen jst, ohne foroirt zu sein, doch von frap-
panter nnd harmonischer Schönheit. Es zeigt sich darin eine sehr feine Na-
turbeobachtnng und ein gründliches Studium der Wirkuugsinomente, der Art,
daß die ganze Figur sich mit einer fast illusionsmäßigen Körperhaftigkeit von
der ganzen Umgebung loslöst nnd freiwirkend erscheint. Besonders gilt dies
auch von dem linken Arm, dessen Darstellung dem wirklichen Natureindruck
sich in überraschender Weise nähert. Diese Natnrhaftigkeit ist, wie überhaupt
bet Riedel, nicht sowohl durch die plastische. Durcharbeitung der Modellirung
der einzelnen Theile als durch die geschickte Kontrastirung von Licht- nnd
Schattenflächen erreicht; aber wenn in früheren Bildern deS Künstlers sich
diese Kontrastirung noch zu sehr iir subjektiver Weise intendirt zeigte, so
daß sie sich der Manier näherte, so ist das hier besprochene Bild von dieser
ganz frei; nnd es gereicht demselben zu nicht geringem Lobe, daß es trotz
seiner frappanten und naturwahren Wirkung doch durchaus nirgends die
Absicht dieser Wirkung in seiner Behandlung fühlbar macht. Diese Vorzüge
beziehen sich übrigens nicht blos anf die Figur selbst, sondern auf daS
ganze Bild, dessen einzelne Theile mit der feinsten Berechnung zu einander
in Beziehung gebracht sind. Denn auch die landschaftliche Staffage, nament-
lich die Kräuter und Gewächse, sind mit meisterhafter Virtuosität behandelt.
Unter den übrigen Bildern haben wir als neu ausgestellt zunächst ein meister-
haftes Bild von Brendel: „Schafe anf ber Weide", sodann Kühling's
„Landschaft. mit Vieh", ein Bild von kräftiger und feiner Wirkung zu er-
wähnen, sodann zwei Genregemälde eines jungen, hier zum ersten Male auf-
tretenden Künstlers, in denen sich ein gesunder Humor ansspricht, nämlich
Erdmaun's (aus München) „Toilette im Stall" und „Verlegenheit am
Brunnen". Die Motive sind drastisch im Stoff und nicht ohne Geschick kom-
ponirt. Was die Ausführung betrifft, so zeigt die Farbe ein anerkennens-
werthes Streben nach Kraft nnd Gesundheit, obwohl sich in der Behandlung
noch eine gewisse Unsicherheit ausspricht. . Auch möchten wir, rücksichtlich der
Auffassung, dem jungen Künstler rathen, in der Charakterschilderung die Ätatnr-
wahrheit nicht bis zur poesielosen Derbheit auszudehnen. Das Unschöne muß
nie ohne Noth dargestellt werden, wie cs auf dem zweitgenannten Bilde ge-
schehen ist. Dt. Sr.

4. Ausstellung des gothifchen Brunnenmodells vom Grafen
A. von der Recke-Vollmerstei» im Cornelius'fchen Atelier. Der
 
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