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Schneider, Paul [Editor]; Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.> [Oth.]
Paul Schneider: [Bildhauer] ; [anläßlich der Ausstellung im April 1985 in Lebach] — Lebach, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29726#0008
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Das Werk

Frühe Arbeiten

Es ist erstaunlich, in welchem Maße
schon eine Studienarbeit des Jahres 1949
(Abb. 6) wesentliches der ausgeprägten
Kunst Paul Schneiders enthält. Ein eiförmi-
ges Sandsteingebilde ist mit seinem
schmäleren Ende leicht schräg in den First
eines giebeldachartigen Sockels einge-
schnitten, daß es wie schwebend er-
scheint. Uberzogen ist das Ei mit einem
Gespinstabstrakter, schlangen-, wege-, in-
selartiger Formen in zartem Relief. Gewiß
gibt es vergleichbare Skulpturen des öfte-
ren in der modernen Kunst, — im anschau-
lichen Charakter des schwerelos-
Naturhaften fühlt man sich an Werke von
Hans Arp erinnert, auch an Späteres wie
etwa Frangois Stahly’s »Lebensbaum« von
1961 3) darf man denken — gleichwohl
reicht schon hier das Assoziationsfeld wei-
ter zurück: in der Art des schwingenden
Zueinandergleitens der Relieferhebungen
innerhalb einer ovalen Gesamtform stellen
sich Anklänge ein an altägyptische Reliefs
wie etwa die sog. »Kleine Hierakonpolis-
Palette« aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. 4).
Schon in dieser ersten faßbaren Arbeit be-
kundet sich also die dem Künstler wohl un-
bewußte Sehnsucht nach der ganzheitli-
chen KunstfrüherKulturen, formuliertin ei-
ner abstrakten Formensprache.

Als zweite frühe Arbeit erscheint wieder-
um ein eiförmiges Gebilde, nun als Kopf-
form interpretiert, aus Myrtenholz, betitelt:
Johannes der Täufer (Abb. 5). Dies Werk
stammt aus dem Jahre 1951. Nur die Au-
genbögen und die Begrenzungen der Na-
se sind als zarte Reliefdifferenzierungen in
die geschlossene plastische Form einge-
tragen, dazu eine sanfte Höhlung, die den
Mund des »Rufers in der Wüste« andeutet.
Der Kopf steht auf einer ovaloiden Holz-
platte, das Werk stellt sich damit ein in die
Tradition des bildnerischen Themas der
»Johannes-Schüssel«, des abgeschlage-
nen, auf einer Prunkschüssel präsentier-
ten Hauptes Johannes’ des Täufers, eine
Form der spätmittelalterlichen Vergegen-
wärtigung des Märtyrer-Todes dieses Pro-
pheten und Vorläufers Jesu. InSchneiders
Werk, das sich letztlich von Skulpturen
Brancusis speist, ist von Martyrium und
Tod nichts enthalten, wohl aber von der
Geisterfülltheit dessen, der im Titel angeru-
fen wird, — ein Geistiges erscheint, ganz
eingegangen in das Fließen der Mase-
rung, in das Lichtaufnehmen und
-ausstrahlen des kostbaren Holzes.

Paul Schneider hat sich den Weg zu sei-
ner eigenen künstlerischen Form und der
darin beschlossenen Weltauffassung nicht
leicht gemacht. Die Abfolge seiner frühen
Arbeiten bezeugt, daß er sich mit keiner
früh gefundenen Lösung begnügen moch-

te, sondern zuerst die Möglichkeiten der
modernen Skulptur in einem weiten Hori-
zont für sich gewinnen wollte.

In den Jahren 1957 bis 1962 entsteht ei-
ne Reihe von Holzskulpturen, als deren
Vorbild die Kunst Henry Moores aufleuch-
tet. Die Kniende, in Myrtenholz, von
1957/58, läßt mit ihren fließenden, ineinan-
der verschliffenen, zylindrische Hohlräu-
me umschließenden und sich zugleich in
eine strenge Gesamtkomposition einglie-
dernden Formen an Werke Moores aus
der Zeit um 1930 denken, Werke, die die
organischen Formen noch nicht auflösen
sondern in schwingenden Rhythmen
zusammenfassen 5).
 
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