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Schneider, Paul [Hrsg.]; Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.> [Bearb.]
Paul Schneider: [Bildhauer] ; [anläßlich der Ausstellung im April 1985 in Lebach] — Lebach, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29726#0016
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Die großen Steine

1971 beteiligte sich Schneider am Inter-
nationalen Steinbildhauersymposion in St.
Wendel und begegnete dabei zum ersten
Mal dem großen österreichischen Bildhau-
er Karl Prantl, dem Begründer internatio-
naler Bildhauersymposien.

Zwei gleichgesinnte Geister haben sich
hier getroffen. Prantls künstlerisches
Schaffen kreist um die Ermöglichung von
geistiger Konzentration, von Meditation
durch das Medium von Steinbildwerken.
Prantls stille liegende oder stehende Ku-
ben, seltener Ringe, bisweilen belebt
durch eine Perlschnur zarter Erhebungen
oder kreisförmiger Eintiefungen, meist in
der Mittelachse, oder durch die organisch
fließende Bewegung ihrer Oberseiten und
durch matte Politur wie durchleuchtet er-
scheinend, ohne daß sie doch ihre Un-
durchdringlichkeit verlieren 13), diese Stei-
ne tragen Titel wie »Zehn Anrufungen«, »Li-
tanei«, »Hommage an das Schweigen«,
meist aber heißen sie »Steine zur Medi-
tation« 13).

Paul Schneider brachte seine Vereh-
rung für diesen Freund in einer kleinen
Bronzeplastik Hommage ä K.P. von 1971
(Abb. 16)zum Ausdruck. Drei hochpolierte
Kugelstäbe wenden sich mit ihren als Fol-
ge von Viertelkugeln ausgebildeten Innen-
seiteneinanderzu, derart, daßsieihrstrah-
lendes Licht nach innen entsenden, als
sinnfälliges Symbol eines geistigen Lich-
tes, eines Lichtes der Meditation.

Für Schneider ist »Meditation« nur einer
der Fixpunkte. Sein steinbildhauerisches
Werk bleibt vielgestaltiger und gespannt
zwischen weiteren Polen. So lebt in seinen
Steinskulpturen auch die Struktur seiner
Metallplastik weiter. Deren Prinzip ist Auf-
bau in einem strikt metrischen Raum, etwa
die erwähnte Fügung paralleler horizonta-
ler und vertikaler Stahlscheiben über ei-
nem Grundriß ineinandergesteckter
Rhomben oder das Übereinanderschich-
ten waagrechter Dreiecksflächen zu einem
hohen Turm oder auch die Komposition
dünner Kreisringe unterschiedlichen
Durchmessers an schmalen, gitterartigen
Vertikalen. Gemeinsam ist diesen Stahlpla-
stiken Transparenz und Strenge, eine kri-
stallinische Struktur im Zugleich von Span-
nung und Schwerelosigkeit.

Mit dem naturhaften Material des Steins
und in der besonderen Gestaltung der
Schneiderschen Steinskulpturen aber ge-

winnt dieser metrische Raum eine weitere
Dimension. Er wird vergleichbar dem me-
trischen Raum der mythisch gebundenen
Skulptur früher Hochkulturen. Diese
Raumstruktur, die in Ägypten und im Zwei-
stromland schon zu Beginn des 3. vor-
christlichen Jahrtausends vollkommen
durchgebildet war und von den Griechen
im Laufe der ersten Hälfte des 1. Jahrtau-
sends allmählich übernommen wurde,
stellt sich dar als ein metrischer Raum mit
einer unendlichen Zahl vertikaler und hori-
zontaler Achsen, die eserlaubt, rechtwink-
lige Prismen in kastenförmige Raumteile
einzustellen 14). Der Sinn dieses metri-
schen Raumes bei den Steinskulpturen
Schneiders wird sich in der abschließen-
den Darlegung zeigen.
 
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