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Schneider, Paul [Hrsg.]; Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.> [Bearb.]
Paul Schneider: [Bildhauer] ; [anläßlich der Ausstellung im April 1985 in Lebach] — Lebach, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29726#0026
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In eine kultische Dimension führen die
Stufensteine. Kultische Stufen führen nach
oben, in eine metaphysische Höhe.
Schneider wurde vom Stufenmotiv erst-
mals bei seiner Begegnung mit volkstümli-
cher Architekturder Kykladeninseln, 1960,
auf Santorin, angerührt. Jetzt taucht das
Motiv verwandelt in Schneiders Schaffen
auf. Die drei Scala Santo (Santorin) Mar-
morskulpturen von 1979 (Abb. 40) variie-
ren das Stufenmotiv in rechtwinklig einge-
schnittenen Kuben, der Stufenstein 5
(Abb. 42) von 1981 setzt eine dreistufige
Treppe frei auf eine ovale Plattform, deren
rechteckiger Einschnitt wiederum stufig
differenziert ist, der Stein mit über- und un-
terirdischem Strom (Abb. 41) verbindet das
Stufenmotiv innerhalb einer kubischen
Wange mit dem Vier-mal-vier-Quadrat zar-
ter Mulden im Strom des reichgemusterten
Onyx-Steines, der Stufenstein 6 (Abb. 43),
ebenfallsvon 1981, bringtzwei Dreistufen-
motive zusammen, hebt sie zart voneinan-
der ab, als schmalere weibliche und kanti-
gere männliche Form, auf gleicher Grund-
platte aufwachsend aus dem irregulär
begrenzten, rauh bearbeiteten Sockel.

Im Sonnenstufenstein von 1984 (Abb.
44) schließlich wird die dreistufige Anlage
in einen Richtungsbezug gebrachtzurstu-
fig ausgehauenen Öffnung der aufrecht-
stehenden, unregelmäßig ausgebroche-
nen Marmorplatte. Aufstieg zur Höhe ist
Aufstieg zum Licht, durch die Dunkelheit
des Steins hindurch. In anderer Weise ver-
bindet der ein Jahr zuvor entstandene
Or\yx-Sonnenwürfelstein mit Lichtspalt die
Lichtthematik mit einer tempelartigen Ar-
chitektur: zwei stehende Kuben lassen ei-
nen Spaltfrei, durch denein Lichtstrahl auf
die rechteckige Eintiefung eines abschlie-
ßenden Steinkörpers fallen kann, auf eine
Eintiefung, die der Scheintür eines ägypti-
schen Grabbaues nicht unähnlich ist.

Kleinheit des Maßstabs ist kein Mangel.
Auch die den großen Steinen analogen
kleineren Varianten sind nicht nur handli-
chere Ausprägungen derselben Idee, son-
dern gewinnen in der Verkleinerung des
Maßstabs ihre eigene Aussage. Um so
mehr gilt dies von den zuletzt besproche-
nen »Kleinarchitekturen«.

Die dem kleinen Maßstab, und nur ihm,
eigene Ausdrucksdimension wurde ein-
dringlich von Gaston Bachelard beschrie-
ben. In seinem Buche »Laterre et le reve-
ries du repos« bringt er anhand vieler Bei-
spiele zum Bewußtsein, wie Kleinheit als
Dimension dem Traume zugehört, der Ge-
winnung einer anderen, seelisch vertieften
Wirklichkeit 22).
 
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