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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0088
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Orte war zur mittelalterlichen Zeit (wie auch später) be-
kanntlich so bedeutend, daß ihre Produkte ohne weitere Be-
zeichnung den Namen der Limosiner Arbeit (Opus limovi-
66NS6 6te.) empfingen; die französischen Archäologen haben
daher keinen Anstand genommen, die Technik überhaupt von
dort ausgehen zu lassen, Limoges darin eine unbedingte
Priorität einzuräumen, auch gelegentlich, wenn nicht den
gesummten in- und außerhalb des Landes befindlichen Vor-
rath, so doch die höchst überwiegende Masse desselben als
Limosiner Waare zu bezeichnen. Hr. Labarte tritt dieser
Ansicht entgegen; auf eine sehr gründliche Quellenforschung
gestützt, weist er nach, daß die mittelalterlich occidentalische
Technik in Deutschland ihre erste Ausbildung gefunden
hat und daß Frankreich und namentlich Limoges erst in
verhältnißmäßig später Zeit nachgefolgt sind. Die Fiction,
daß schon zu Ende des 10. Jahrhunderts mit dem Dogen
Orseolo eine venetianische Künstlerkolonie, und mit dieser
auch Emailarbeiter, in die Limosiner Gegend gekommen sei,
(eine Fiction, die man anderweit auch für baugeschichtliche
Vorkommnisse auszunutzen versucht hat), zerfällt nach seiner
Ausführung in Nichts. Die erste sichere Erwähnug einer Li-
mosiner Arbeit findet sich erst im Jahre 1170; alle erhaltenen
Stücke, welche man früheren Jahren zugeschrieben, erweisen
sich nach sorgfältiger Prüfung als jünger. Eine Tafel, mit der
bildlichen Darstellung eines Heiligen und der inschriftlichen
Angabe eines gewissen Guinamundus als Verfertigers, hatte
man auf einen im 11. Jahrhundert verkommenden Bildhauer
dieses Namens bezogen; Hr. Labarte giebt die Belege der
völligen Unstatthastigkeit dieser Angabe. Eine merkwürdige
große Tafel im Museum von Mans mit dem Bilde eines
ritterlichen Herrn (c. 2 Fuß hoch und 1 Fuß breit), gilt
als Darstellung des Gottfried Plantagenet, Herzogs von
Anjou (gest. 1151); Hr. Labarte weist es nach, daß die
Inschrift der Tafel mit dieser nur traditionellen Annahme
keineswegs übereinstimmt, dagegen mit vollkommener Wahr-
scheinlichkeit auf den Sohn Gottfried's, Heinrich Plantagenet
(gest. 1189), zu deuten ist. Zwei Tafeln im Museum des
Hotel de Cluny zu Paris, eine Scene aus dem Leben des
h. Stephan von Muret und eine Anbetung der Könige vor-
stellend, hält man für Reste des angeblich vom Jahre 1165
herrührenden Altarschmuckes der Kirche von Grandmont bei
Limoges; Hr. L. legt die Gründe dar, weßhalb sie von
diesem Altäre (dessen Ausstattung ohne Zweifel zugleich er-
heblich jünger war) nicht herrühren können, vielmehr allem
Anscheine nach Stücke von dem Reliquienschrein des genann-
ten Heiligen, frühestens vom Jahre 1189, ausmachen. Nur
der schon oben erwähnte Ring des Bischofs Gerhard von
Limoges, vom Anfänge des 11. Jahrhunderts, bleibt als
eine wirklich alte Arbeit bestehen; aber wir stimmen mit
dem Verfasser sehr gern überein, daß derselbe, sofern er in
der That ein einheimisches Produkt ist, in seiner ganz ge-
ringfügigen Beschaffenheit doch keinesfalls für den Fortschritt
zu einer irgendwie künstlerischeu Verwendung der Technik
einen Beleg abgeben kann. — Dagegen ist eine andre histo-
rische Thatsache von entscheidender Bedeutung. Der Abt
Suger von St. Denis, der bekannte überaus thätige Kunst-
freuud, ließ, nachdem der Chor seiner Kirche erneut und
114-l geweiht war, in der Absis über dem Grabe des

h. Dionysius und seiner Gefährten, der hh. Rusticus und
Eleutherius, ein prächtiges goldnes Crucifix, welches von
einer Säule getragen wurde, aufrichten; die Säule wurde
mit Emailbildern reichlich geschmückt, an denen, nach seinem
eignen Bericht, theils fünf, theils sieben lothringische
Künstler zwei Jahre hindurch arbeiteten. Wenn Einer, so
verfuhr Suger in seinen künstlerischen Unternehmungen mit
völliger Einsicht in die Zeitverhältnisse; er hatte sich sieben
Jahre vorher in Limoges ausgehalten und fand doch keine
Veranlassung, die Emailarbeiter, deren er bedurfte, aüs diesem
angeblichen Hauptorte solches Kunstbetriebes zu berufen; er
ließ sie vielmehr aus dem westrheinischen Deutschland kom-
men. Hier also, und nicht in Frankreich, stand jene Tech-
nik damals ohne allen Zweifel in Blüthe. Mit dieser
Thatsache stimmt noch eine zweite überein, welche Hr. La-
barte ebenfalls anführt. Um 1181 waren Mönche der
Abtei Grandmont bei Limoges nach Köln gegangen, Reli-
quien der Gefährtinnen der h. Ursula zu erbitten; sie
brachten deren zurück, die in verschiedene Schreine vertheilt
wurden: einer dieser Schreine, in üblicher Weise mit Email-
len verziert, ergiebt sich aus einer vom Jahre 1790 erhal-
tenen Beschreibung als deutsches Fabrikat, mit den Bildern
der Geschenkgeber der Reliquien, des Abtes Gerhard von
Siegburg uud des kölnischen Erzbischofes Philipp von Heins-
berg, und mit dem Namen des deutschen Verfertigers,
Reginald. Man war also veranlaßt gewesen, den Schrein
(und ebenso vielleicht die andern) gleichzeitig in Köln zu
bestellen, während man die Arbeit, hätte die Technik damals
schon in Limoges geblüht, aus allernächster Nachbarschaft
hätte beziehen können. Nicht minder lassen die historischen
Zeugnisse erkennen, daß der lebhaftere Betrieb dieses Kunst-
^ faches in Limoges, ohne Zweifel durch das deutsche Beispiel
! angeregt, in der That erst mit dem Schlüsse des 12. Jahr-
hunderts beginnt und sich daselbst erst im Lause des 13.
Jahrhunderts zur Blüthe eutfaltet.
Die Ausführung des Hrn. Labarte in Betreff des Vor-
tritts, den Deutschland in der selbständigen Entwickelung der
mittelalterlich occidentalischen Emailmalerei einnimmt, er-
scheint um so überzeugender, als das Verhältniß aufs Voll-
kommenste mit den übrigen Momenten der kunsthistorischen
Entwickelung übereinstimmt, welche uns durchgängig die große
und zumal in den bildenden Künsten so entschieden vorwie-
gende Bedeutung Deutschlands in der Epoche des romani-
schen Styles entgegentreten lassen. Die Anfänge sind freilich
Noch dunkel. Einige Reliquienschreine, welche mit derartigen
Arbeiten versehen sind, glaubt Hr. Labarte sogar noch dem
10. und dem Anfänge des 11. Jahrhunderts zuschreiben zu
dürfen: einen der in der Pfarrkirche von Siegburg befind-
lichen Schreine und einen zweiten, der sich im Besitz des
^ Bischofs von Hildesheim befinde; über beide spricht er jedoch
nicht aus eigner Anschauung. Dann ein Reliqzüenschrein,
der aus der Sammlung Debruge-Dume'nil in die Samm-
lung des Fürsten Soltykoff in Paris übergegangen ist und
den er nach eigner Untersuchung als deutsche Arbeit des
11. Jahrhunderts bezeichnet. An sich ist kein dringliches
Bedenken dagegen vorhanden, daß die Hebung in diesem
Kunstzweige schon im 11. Jahrhundert begonnen habe; die
reichlichere Thätigkeit fällt jedenfalls in das 12. Jahrhun-
 
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