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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0206
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Neunter


Uedigirt von Friedrich Eggcrs in Ücrlin.

Lernhnrd Äfinger.

In dem ersten Hefte des laufenden Kunstblattjahrgangs (auf
S. 25) hat Afingers Engelstatue eine sehr rühmende Er-
wähnung gefunden. Wenn in den früheren Jahren schon das
Kunstblatt sich immer mit großer Theilnahme den Arbeiten des
strebsamen Meisters zuwandte, so konnte es hier mit besonderer
Freude ein größeres Werk begrüßen, das die hohe Stufe kund-
lhat, zu der er sich unter den eigenthümlichsten Verhältnissen
hinausgearbeitet. Wir beabsichtigen nun hier nicht allein auf
diese Arbeit zurückzukommen; es scheint uns auch an der Zeit
zu sein, einmal die zerstreute Betrachtung seiner Schöpfungen
unter dem Gesichtspunkt seiner persönlichen Entwickelung zusam-
menzufassen, und ein Gesammtbild zu versuchen, das durch seine
entschiedene Eigentümlichkeit ein lebhafteres Interesse erwecken
möchte..
Asinger ist nicht die — immerhin zweifelhafte — Gunst des
Schicksals zu Theil geworden, den Weg einer konsequenten, wohl-
geleiteten Entwickelung zu gehen und unmittelbar dem künstlerischen,
Ausdruck der Zeit zu folgen; ihm war derselbe vielmehr, von
außen wie von innen, bis in's Mannesalter hinein verschlossen,
, und in mancher Ansicht könnte er uns an den alten Meister
Zingaro erinnern, dm ein wundersames Schicksal erst in ähn-
lichem Alter auf das Gebiet der Kunst trieb. Was die abge-
wandte Glücksgöttin versagte, mußte sich die eigenwillige Energie
erringen; und das besonders erhöht den Werth seiner künstlerischen
Persönlichkeit und das Interesse seines einfachen Gebens.
Bernhard Asinger wurde am 6. Mai 1813 zu Nürnberg
geboren. Sein Vater, ein Tyroler, lebte als Webemeister in
dürftigen Umständen und war schon deßhalb außer Stande, den
Wünschen des Sohnes, den ein früh erwachter Trieb auf die
Kunst hinwies, zu willfahren. Es kam aber bei ihm eine leb-
hafte Abneigung gegen alle Jünger der Kunst hinzu; denn er
hatte sich nach den Erfahrungen, die ihm zur Hand lagen, eine
feste, allgemeine Anschauung gebildet, nach der er sich unter
Künstlern nur Menschen mit langen Haaren, einem Sammtrock
und viel Schulden vorstellte: drei Eigenschaften, die für seine
Gesinnung entscheidend sein mochten. Dem Knaben blieb daher
nichts Anderes übrig, als sich der Erlernung eines Handwerks
hinzugeben. Er fand in seiner Vaterstadt Aufnahme in der Werk-
statt eines Klempners, machte die regelmäßige Lehrzeit in vier
Jahren durch, und war daun sieben Jahre lang in der Fremde,
mitten in jenen Erschütterungen, die die dreißiger Jahre bewegten
und auch ihn in seinem harmlosen Wanderleben unsanft genug
hin und her warfen. Während er aber so in dem Geleise des
vorgeschriebenen Berufes ruhig und gleichmäßig fortzuwandeln

schien, konnte er gleichwohl von dem angeborenen Triebe nickt
lassen; und indem er die Poesie seines wandernden Gesellenlebens
mit dem empfänglichsten Sinne empfand und kostete, übte er sick
zugleich in seinen Mußestunden immer fleißig, aber ohne alle
äußere Anleitung, im Zeichnen, Schnitzen, Graviren, Treiben in
Metall, u. s. w. Endlich, als er nach beendigter Wanderschaft
in seine Vaterstadt (im Jahre 1838) zurückgekehrt war, gewann
dies sein unbestimmtes Treiben zum mindesten eine praktische
Richtung: seine im Stillen erworbenen Fertigkeiten verschafften
ihm regelrechtere Hebung und Thätigkeit in einer Silberplattn-
fabrik, wobei er denn — obwohl das Widerstreben des Vaters
nicht aufhörte — den eigentlich handwerklichen Arbeiten allmählich
entzogen ward, und zugleich besuchte er in den Abendstunden,
und später auch bei Tage, die königliche Kunstschule, um seiner
Thätigkeit eine kunstgemäßere Grundlage zu geben, die ihm bis
dahin gänzlich gefehlt hatte. Hierbei fand er in dem zeitigen
Direktor, dem bekannten Kupferstecher Albert Neindel, eine
bedeutende Stütze und die freundlichste Anleitung; auch ward
ihm von Seiten des Nürnberger Magistrats manche Unterstützung
zu Theil, und ebenso nahm sich der Freiherr Gottlieb von Tücher
seiner sehr hülfreich an. In dieser Zeit, von 1838 bis 1840,
machte er Fortschritte, die für ihn selbst am meisten überraschend
sein sollten. Im Jahre 1840 traten sie aus entscheidende Weise
zu Tage und gestalteten sich zu einem Wendepunkte seines Lebens.
Asinger hatte zu einer Ausstellung der Schüler eine Reihe von
Studien in Stein und Holz gefertigt, und unter diesen nament-
lich jene Kopie der alten Nürnberger Madonna, die seitdem so
viel Anerkennung und Verbreitung gefunden hat; die stattlichen
Arbeiten, die nach seiner Absicht und seinem immer noch einge-
schränkten Streben nur Hebungen, nur Mittel zu dem bescheidenen
Zweck einer kunstfertigen Thätigkeit für jenes Fabrikwesen sein
sollten, waren ihm unter der Hand, unter dem Drang des Ta-
lents, zu etwas Selbstberechtigtem geworden. In dieser Zeit kam
Rauch nach Nürnberg, der zum Dürerfeste geladen war; er sah
die Arbeiten auf der Ausstellung, fühlte die Begabung des jungen
Künstlers heraus, und machte ihm aus dem gerade stattsindenden
Balle den Antrag, ihm als sein Schüler nach Berlin zu folgen.
Man begreift, daß der Antrag mit hoher Freude angenommen
ward; nun erst war ihm, wie ein voller Lichtblick, die Entscheidung
seines Lebens gekommen, dem dunklen Willen seiner Iugendtage
hatte, nach so langer Unterdrückung, der Altmeister der Sculptur
selbst seine Berechtigung zurückgegeben.
Jetzt aber trat nun die entschiedene Eigentümlichkeit Afingers,
der neuen, strengen Schule gegenüber, in dem lebhaftesten Ringen
und Kämpfen erst ganz zu Tage; und wir können eine Reihe
von Jahren hindurch in seinen Werken diese Zwiespältigkeit er-
kennen, die bei den neuen Anforderungen zunächst aus der ur-
sprünglichen Einseitigkeit hervorgehen mußte. Asinger hatte
sich — er, der geborne Nürnberger — von Jugend auf der Bild-
'25*
 
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