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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0181
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156

(B.N.) Rom.
Arbeiten christlicher Skulptur.
Der Versuch einer christlichen Skulptur ist so oft mit so
zweifelhaftem Erfolge gemacht worden, daß man sich fast wun-
dern möchte, wie unermüdet unsere Bildhauer immer von Neuem
diesem Ziele zustreben. Daß kein Christus und keine Madonna
Michel Angelo's an .seinen Moses reichen, daß Thorwaldsen keinem
seiner Apostel das Leben seines Mercur oder Hirtenknaben einzu-
hauchen vermocht, seine Johannis-Predigt nicht neben seinen Ale-
xander-Zug stellen gekonm, schreckt die Lebenden nicht ab, die
Straße zu suchen, die die größten Genies ihrer Küsst nicht ge-
funden haben. Selbst der Mangel an Idealen, durch deren
Darstellung die reine Menschengestalt verherrlicht werden könnte,
bildet kein Hinderniß, und wir sehen immer von Zeit zu Zeit
die ersten Aeltern wieder in Marmor, obschon wir für sie, welche
nach christlicher Lehre durch den leichtfertigen Ungehorsam Sünde
und Tod in die Welt gebracht, so viel nicht übrig haben können,
als die Griechen für ihre Freudenspenderin, die meergeborne
Göttin der Schönheit, stets bereit haben mußten. Unter den
hiesigen Bildhauern, welche sich vorzugsweise mit christlichen Ge-
genständen befassen, dürfte keiner höher zu stellen sein, als Ja-
cometti, der für die 8ea1a 8anta den Judas-Kuß und ein Leoe
llomo in lebensgroßen Gruppen ausgeführt. Seine neueste Ar-
beit, in welcher die ihm eigne Gesühls-Jnnigkeit noch mehr her-
vortritt, ist eine sogenannte Pieta, eine Klage um den vom Kreuz
genommenen Leichnam Christi. Es hat damit eine eigene Be-
wandtnis;. Wenn hier ein Künstler einen Gegenstand, sei's mit
Glück oder auch nur mit Eifer erfaßt hat, so greifen sogleich
Viele mit an. Es sieht dieß fast aus wie eine lebendige Kritik.
Jede Abweichung vom Andern ist wie ein über ihn ausgesprochener
Tadel. Das Thema, das wohl jetzt wenige „christliche Künstler"
unberührt lassen, ist eben die Pieta. Ich weiß nicht, ob Cor-
nelius den Reigen eröffnet; aber auch er hat eine Pieta auf
der Staffele!. Wittig aus Sachsen arbeitet an einer colossalen
Gruppe desselben Inhalts; Steinhäuser an einer solchen von
kleinern Dimensionen; und ich erinnere mich, noch mehrere ähn-
liche Darstellungen bei Andern gesehen zu haben. Sehr umfang-
reich ist die Bearbeitung dieses Stoffs von einem preußischen
Künstler, dem Bildhauer Achtermann aus Münster, ausgeführt
für den Dom seiner Vaterstadt. Achtermann hat inzwischen
nicht sowohl die Klage über den Leichnam, als den Moment
vorher, die Kreuzabnahme gewählt, d. h. den Moment, wo der
vom Kreuz genommene Leichnam zur Erde gelegt werden soll.
Joseph von Arimathia bildet die stehende Mittelfigur. Er hält
den Körper Christi auf seinem rechten Bein, das er auf einen
Stein wie auf eine Stufe gestellt. Mit der Rechten umfaßt er
den Oberkörper, mit der Linken hält er das um die Lenden ge-
legte Leintuch. Der Leichnam liegt quer über mit dem sanft ge-
senkten Kopfe links; der rechte Arm hängt senkrecht herab, der
linke liegt im Schooß, auch die Füße folgen einfach dem Gesetz
der Schwere. Maria legt beide Hände sanft um' das Haupt
und berührt mit ihrer Stirne die Wange des Sohnes. Johannes
rechts halbgebückt hält noch die Beine des Todten in der Knie-
kehle, um sie vor raschem Niederfallen zu wahren, und gibt da-
mit der Magdalena Raum, knieend mit ihren Haaren das Blut
aus der tropfenden Fußwunde aufzusammeln. Das Werk ist mit
wirklicher Wärme des Gefühls erdacht und mit großer Liebe und
Ausdauer ausgeführt, was um so höher anzuschlagen ist, als die
Schwierigkeiten einer Colossal-Gruppe in Marmor noch bedeutend
durch den Umstand vermehrt wurden, daß das Ganze zuerst als
Basrelief componirt war und also in vielen Theilen gründlich
verändert werden mußte. Achtermann hat sich auch eines

möglichst einfachen Stils befleißigt, ohne damit antiken Formen
nachzugehen, und hat allen Gestalten einen lebendigen, entsprechen-
den Ausdruck zu geben gewußt. Die Gesammtwirkung an Ort
und Stelle kann nur eine sehr günstige werden. — Neben diesen
Künstlern, die sich ausschließlich oder wenigstens vorzugsweise an
kirchliche Aufgaben halten, gibt es Andere, deren Thätigkeit einen
so ausschließlichen Charakter nicht hat. Zu diesen zählt Troschel
aus Berlin. Seine letztvollendete größere Arbeit, der Brunnen
mit Amor als Beherrscher der Wasser mit Tritonen und Nereiden,
wird, wie Sie wissen, gegenwärtig in Berlin in Erz gegossen,
und Sie können sich durch den Augenschein von dem Werth
desselben überzeugen. Er ist für Sanssouci bestimmt, und über-
haupt befinden sich im Besitz des Königs sehr viele von Troschel's
Arbeiten. Gegenwärtig hat er für einen Grafen Potocky in
Warschau zwei Skulpturen sehr verschiedener Art unter den
Händen; für eine Haus-Capelle die Figuren der neuerrichteten
Mariensäule auf dem spanischen Platze in einem großen Mar-
morrelief, und einen Fries von Marmor für einen Kamin, dessen
Reliefs ein von Kindern aus- oder aufgeführtes Bacchanal, ebenso
die Hochzeit von Amor und Psyche und die fünf Künste Archi-
tektur, Skulptur, Malerei, Musik und Poesie, gleichfalls in Kin-
dergruppen vorgestellt. Außerdem findet inan bei ihm, wie bei
vielen der hiesigen Bildhauer, mehrere halblebensgroße, oder auch
Kindergestalten in Marmor, da dergleichen viel'leichter Käufer
finden, als Statuen in natürlicher Größe.

Nachrichten.
PüM Phl'M. Verschiedene rheinische Localblätter haben bereits
die Nachricht gebracht, daß der alten Römerburg und Frankenftadt -kanten
gegenüber, am rechten Rheinufer, und zwar fast im Rheinbette, 6 arme
Fischer eine antike Statue gefunden hätten. Ich verfügte 'mich gleich an
Ort und Stelle, um mich davon zu überzeugen, was an diesem Funde
sei, und Sie dürfen denselben als einen der bedeutendsten Bereiche-
rungen der antiken Plastik verkünden. Die herrliche Statue ist von hell-
gelblicher Bronze, fast 5^ hoch und stellt einen nackten Knaben dar, der
in der Grazie schnellen Dahineilens, in den ausgebreiteten Händen, irgend
eine Gabe mag gespendet haben. Der volle Kran; von Aehren, Blumen
und Früchten ist von bewundernswürdiger,Schönheit, ebenso das Eben-
maß der Formen und die Freiheit der Bewegung. Mir scheint diese
Figur unbedingt ein Werk griechischen Vorbildes. Ob sie, was ihre spe-
cielle Deutung aubetrisft, eine bachische Figur sei, ob ein Genius des
Aerndtesegens, ob der attribuirte Dämon eines Olympiers, ist in einer
vorläufigen Correspondenz der Ort nicht zu erwägen. Erhalten ist das
Werk, bis auf die ausgefallenen Augäpfel, die von Silber oder Edel-
steinen gewesen sein mögen, und den fehlenden rechten Unterarm. Eine
Patina hat die Oberfläche nicht, und die Bronze zeigt eine mehr glän-
zende Farbe, weil die Abgeschlossenheit von der Luft, deren Bildung ver-
hinderte. Man hat im ersten Augenblick dieses Mangels der gewohnten
Patina halber das Alter des Werkes bezweifelt, allein wer sollte ein
solches Werk zu schaffen wissen, und damit unbekannt bleiben? Und wer
es zu schaffen wüßte, würde zu dessen Anerkennung nicht die Rheinfluthen
und den Nimbus des Alterthnms zu Hülfe zu rufen brauchen. Ueber
den Verbleib der Statue dürsten keine Bedenken obwalten, da der Fund-
ort dem Fiscus hinreichenden Grund gegeben hat, seinen Anspruch an
dieses herrenlose Eigenthnm geltend zu machen. Dies zur vorläufigen
Notiz. Ernst aus'm Weerth.
Zürich. Der Regierungsrath hat das Preisgericht für die Prü-
fung der Bauplane für die Gebäude des Polytechnikums bestellt. Die
Mitglieder sind: die HH. Oberbanrath Bürklein in München, Prof,
und Baurath Fischer in Karlsruhe, Architekt Kunkler in St. Gallen,
Baumeister Merian in Basel und Prof. Semper in Zürich. Die einzel-
nen Plane werden, nachdem die Richter ihr Urtheil gefällt, dem Publi-
kum zur Einsicht offen gestellt. (Eidg. Z.)

Verlag von Ebner L Seubert in Stuttgart. — Druck der I. G. Sprandel'schen Buchdruckerei daselbst.
 
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