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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0207
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182

nerei unserer mittelalterlichen Kunst mit aller Begeisterung und
Liebe hingegeben; schon als Knabe hatte er besonders die religiöse
Innigkeit, die oft so vernehmlich aus ihnen spricht, in sich ge-
sogen und diese vor Allem zum Leitstern seiner Anschauung und
seines Urtheils gemacht. Ihm war die harte und eckige Behand-
lung, die die alten Meister dem Holz und dem Stein widerfahren
ließen, nichts Mangelhaftes, vielmehr suchte er ihnen in aller
Ehrfurcht, und Treue darin nachzuahmen und fand in ihr einen
Theil der Großheit und Tiefe ihres Wesens: wenn es ihm nur
auch zugleich gelang, den sinnigen -und gläubigen Ausdruck nach-
zubilden, den er aus diesen strengen Formen und Gestalten heraus-
empfand. Und indem er an allen Eigenthümlichkeiten und Mängeln
seiner Meister gläubig festhielt, war es ihm auch Bedürfniß,
jene strenge, ebenmäßige, gründlich ausgearbeitete Gewandung
nicht aufzugeben, die, statt sich gefällig dem Körper anzuschmiegen,
ihn vielmehr verhütlt, und so das eigentlich Aeußerliche wiederum
zu etwas Innerem zu machen scheint, als sollte es dadurch erst
seine geistige Bedeutung gewinnen: ein Prinzip, das allerdings
dem christlichen Wesen entstammt, aber auch in gleichem Maße
seinen Antheil an der unvollendeten Entwickelung unserer alten
Sculptur gehabt hat. Für Afinger, den einsam sich Bildenden,
konnte die alte bedeutsame Weise, ehe die Rauch'sche Schule ihn
umbildete, ihren vollen Werth noch nicht verlieren; denn er wuchs
ausschließlich im Dienste der mittelalterlichen Kunst aus. Die
Welt der Antike war ihm in Nürnberg verschlossen; und das
Wenige, was er davon hätte finden können, suchte er nicht auf,
weil er sie sich als ein Untergeordnetes, Vergangenes dachte.
Nun erst trat sie ihm in der festgeschlossenen Schule Rauchs in
aller Macht und Überlegenheit entgegen, in der großen Neuge-
staltung, die ihr der moderne Geist gegeben hatte, wie in den
Ueberresten ihrer eigenen Blüthe. Der junge Autodidakt, der
sich eben erst zum freien Kunstjünger emporgeschwungen, zugleich
aber eine solche Abgeschlossenheit seiner künstlerischen Gesinnung
mit sich brachte, mußte nun unter dem schwersten Ringen die
Ineinsbildung seiner Ursprünglichkeit mit den höheren Gesetzen
unternehmen. Seine ungebrochene Empfänglichkeit und seinen
ausdauernden Fleiß ersieht man aus der Schnelligkeit, mit der
er die Kunstweise seines Meisters in sich aufnahm. Die erste
Kopie, die er in dessen Atelier zum Studium ausführte, war die
der Sarkophagstatuc der Königin Luise; sie wurde bald bekannt
und sehr verbreitet. Während er dann in der Akademie den
Aktsaal und andere Studienfächer zu seiner Weiterbildung benutzte,
arbeitete er an Rauchs Modellen mit, führte nach denselben
mehrere Arbeiten in Marmor aus, und erhielt, auf des Meisters
Empfehlung, durch den Oberbaurath Stüler einen Antheil an
den dekorativen Ausschmückungen des neuen Museums in Berlin.
Alle diese und andere ähnliche Arbeiten sind als die strenge
Schule zu betrachten, die den jungen Bildhauer seiner Abge-
schlossenheit entriß, seinen künstlerischen Blick nach allen Richtungen
erweiterte und der gestaltenden Hand klassische Freiheit und Natur
zurückgab. Indessen war es ihm unmöglich, seiner alten Weise
schnell und gewaltsam zu entsagen, auch hätte das seiner Ge-
sinnung nicht entsprochen, die bald mit steigendem Bewußtsein
darauf ausging, das alte geliebte Eigenthum mit- dem neuen
Erwerb zu verschmelzen. Bezeichnend ist hier ein Werk, das er
1842 ausführte, als er, durch eine schwere Krankheit veranlaßt,
Berlin auf länger als ein Jahr verlassen hatte und nach Nürn-
berg zurückgekehrt war: ein kolossaler Christus, halbe Figur in
Hochrelief, von Sandstein, der sich über der Thür der neuen
romanischen Kirche in Dinkelsbühl in einem Rundbogenfeld be-
findet. Antikes Gewand, freier und flüssiger behandelt, bedeckt
eine Figur, die ganz im alten christlichen Styl gedacht ist und
sich der schematischen, rein symmetrischen Behandlungsweise einer

frühen Periode mit Innigkeit, aber allzu unterwürfig anschließt.
Weit nähere Berührung mit der Antike war dagegen in Peter
Vischers Werken zu finden. In dessen größerer Manier finden
wir, fünf Jahre später, eine liebenswürdige Statuette, Maria
mit dem Kinde, ausgeführt; freilich nicht mehr mit der reinen
Naivetät, die ihn früher bei seinem ungestörten Schaffen leitete,
sondern mit dem bewußten, immer noch allzu eigenwilligen
Streben, die Resultate seiner neuen Studien zu feinerer und
freierer Durchbildung seiner alten Weise zu verwerthen. Auch
was wir sonst noch aus dieser Zeit von ihm kennen, trägt dasselbe
Gepräge des Halberschlossenen, des Angelehnten, aus dem man
gleichwohl den Hervorgang einer vollen Befreiung schon erwarten
mag. Diese tritt uns dann zuerst in der Statuette der Rachel
entgegen, die er 1850 auf Befehl des Königs von Preußen, durch
Rauch empfohlen, in Marmor ausführte, und die auf der Pfauen-
insel bei Potsdam aufgestellt ist. Dies kleine Werk ist von ganz
eigenthümlicher Art. Es sollte zunächst, nur in doppelter Größe,
die Wiederholung einer französischen Statuette der berühmten
Schauspielerin sein. Afinger nahm die allgemeinen Motive der
letzteren auf, aber er wußte, aus ihnen heraus, ein neues und
eigenes Werk zu schaffen; gerade dem leeren, koketten Pathos des
Originals gegenüber kam sein gereinigter deutscher Künstlersinn
zu freier und stilvoller Entfaltung, und in dieser Arbeit von ge-
ringer Dimension legte er, wie in einer Studie, mit dem ihm
angeborenen liebevollen Fleiße die Entwickelung seines Wesens
nieder, die er bis dahin noch nicht auszubreiten vermocht hatte.
Die Werke, die der Künstler diesem folgen ließ, tragen nun
alle mehr oder minder diesen Charakter feiner und edler Durch-
bildung, worin seine alten Ideale sich mit den reinen Gesetzen
der Antike versöhnt finden. Afinger strebt überall zunächst nach
individueller Wahrheit und ist schon darin im Einverständniß
mit der künstlerischen Gesinnung unserer Zeit; wie sehr er sie,
wo es irgend darauf ankommt, bis in die kleinsten Falten zu
verfolgen sucht, tritt namentlich in seinen bekannten, vielverbreiteten
Portrait-Medaillons hervor, die in diese ersten Jahre seiner Reife
fallen. Die Sorgfalt der Jndividualisirung nähert sich bisweilen
den Gränzen der Berechtigung, die hier aus dem engen Raum
und seinen stylistischen Bedingungen hervorgehn; aber in ihrer
Eigenthümlichkeit sind sie meisterhaft durchgeführt und ziehen uns .
an, die Feinheit und Treue der Behandlung bis in's kleinste
Detail hin zu verfolgen. Sobald wir dann aber den Künstler
wieder auf dem Gebiet der idealen christlichen Kunst erblicken,
empfinden wir auch die Weihe der Schönheit, die sein gereiftes
Streben nach Wahrheit adelt. Und dies zu bethätigen, fand er
gleich nach Vollendung der Rachel-Statuette Gelegenheit, indem
ihm von der Herzogin von Sagan die Ausführung eiuer Reihe
von Sandsteinsiguren zur Ausschmückung einer alten Kirche und
eines neuen, in mittelalterlich deutschem Styl erbauten Hospitals
zu Sagan übertragen ward; zwei dieser Figuren, die heil. Katha-
rina und die heil. Dorothea, die er 1851 und 1852 vollendete,
erwecken besonders ein inniges Interesse, und zeigen, wenn auch
die alten ungefälligen Anklänge, die Ueberreste seiner früheren
Manieren nicht völlig verschwunden sind, eine schöne Harmonie
seiner innerlichsten Auffassung mit seinem geläuterten Geschmack.
Durch Asingers Gestalten geht immer ein Ausdruck deutscher
, Innigkeit und deutschen Wesens überhaupt, wie wir ihm sonst
' in der modernen Sculptur nicht oft begegnen; seit er bei ihm frei
geworden ist und sich nicht mehr hinter Härten und Manierirt-
heiten verbirgt, gewinnt er uns immer unmittelbar mit über-
zeugender Gewalt und zwingt uns zur Anerkennung seiner be-
deutsamen Schönheit. Das empfinden wir namentlich auch bei
einer dritten Sandsteinfigur, die über dem Portal des erwähnten
Hospitals zu Sagan steht, der „Leidtragenden Maria"; diese
 
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