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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0253
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228

zum Gefammtwerlhe von circa 17,000 Thlr. -Pr. verkauft. —
Fragt man aber nach der geistigen Bedeutsamkeit, so möchte die
letzte hinter den meisten früheren Ausstellungen weit zurückgeblie-
ben sein. Wie immer fehlte es nicht an trefflichen Landschaften,
deren eine Fülle vorhanden war; aber von den Figurenbiltern
erhoben sich nur ganz wenige über das Mittelmäßige. Wir sind
in dieser Hinsicht niemals verwöhnt worden: aber bei dem Vor-
herrschen der Landschaft, der Marine, des niederen Genre, bei
der schwachen Vertretung der Historie, der religiösen Malerei und
der verwandten Gattungen fehlte es doch keiner der früheren Aus-
stellungen an einer kleinen Anzahl von Figurenbildern, welche ein
lebhaftes geistiges Interesse einflößten, weil die Handlung und
deren Ausdruck der vorzüglichen Technik das Gleichgewicht hielt;
es fehlte auch nie an einigen wackern Genrebildern voll gesunden
Humors und inniger Gemüthlichkeit; stets waren einige Bilder
da, welche als Ereignisse für die fleißigsten Besucher und für das
ganze theilnehmende Publikum sich geltend machten, und um deret-
willen man den Schluß der Ausstellung lebhaft bedauerte, wäh-
rend sie zugleich eine gewisse Befriedigung hinterließ. Unter den
Figurenbildern der diesjährigen Ausstellung wüßte ich als ein
solches eigentlich nur dasjenige von Heilbut — (Palestrina mit
römischen Nobili musikalisch beschäftigt) zu nennen, das gleich an-
fänglich Aller Augen auf sich zog, aber leider früh wieder ver-
schwand. Erregte es ein vorzügliches Interesse als Farbengedicht
nach dem Vorbild der großen venetianischen Meister, so war es
doch auch in Rücksicht auf die Handlung und deren Ausdruck,
so war doch auch jede einzelne Figur von Bedeutung. Außerdem
gab es in religiöser Malerei einige gut gemeinte, aber desto mehr
ganz verfehlte Bilder, dann einige huasi historische, welche aber
kalt ließen; und was das Traurigste ist, eine Anzahl technisch
braver Genrebilder, deren Gegenstände aber so trivial oder ge-
radezu unschön waren, daß Talent und Fleiß daran verschwendet
erschien. Immerhin mag es nicht zu verwundern sein, wenn klas-
sische Kunstwerke sich nur selten zeigen: aber betrübend ist der
Anblick eines ganzen Vorraths von Bildern, bei welchen die
höhere künstlerische Begeisterung fast überall vermißt wird, und
doch eine Summe von Talent und ein noch größerer Aufwand
von Technik und Fleiß sich verschwendet zeigt. Sollte denn wirk-
lich unter unserer jüngeren Künstlerwelt religiöses Leben, Vater-
landsgefühl, geschichtliches Interesse, ja gesunder Humor und sin-
nige Gemüthlichkeit so überaus selten geworden sein, daß sie im
öden Streben nach Originalität bis zur Darstellung von Katzen-
jammer (drei Bilder hatten Varietäten, davon zum Gegenstände),
von Putzsucht, von Modefiguren, von Kaufläden u. s. w. herab-
steigen mußten?
Man gebe nur nicht dem Publikum Schuld — wenigstens
nicht in erster Instanz! Laut genug hat sich diesmal der Mangel
an Befriedigung geäußert. Wohl mag es begründet sein, daß
mehr für Landschaft und Genre als für Historienmalerei der
Markt hier zu finden sei; das möchte auch überall der Fall sein;
das hiesige Publikum aber hat gerade für das edlere Genre
stets lebhafte Theilnahme bewiesen. Was historische Bilder an-
betrifft, so käme es nicht minder immer noch auf den Versuch an,
denn auch der Sinn dafür hat sich im Publikum seit den letzten
Jahrzehnten weiter entwickelt. Einzelne Erwerbungen von histo-
rischen Bildern haben hier stattgefunden; auf Anerkennung
aber dürften tüchtige historische und religiöse Bilder mit Sicher-
heit rechnen und diese dem Künstler dock indirekt zu Statten kom-
men. Wie aber kann sich der auffassende Sinn im Publikum

veredeln, wenn Gelegenheiten, wie die Kunstausstellungen sie dar-
bieten, so überaus wenig dafür hergeben, wie es bei der jüngsten
derselben leider der Fall war?

"4 Moskau.
Neue Kunftbestrebungen.
Sie haben schwerlich erwartet, daß ich Ihnen schon aus der
alten Kremlstadt schreiben würde. Dennoch fordern die hiesigen
Kunstbestrebungen dazu auf. Ich bin weniger im Stande, von
praktischer Kunstübung zu berichten. Eine Ausstellung war bereits
im Januar und Februar gewesen und soll Lobenswerthes aufzu-
weisen gehabt haben. Dahingegen trat mir eine Rührigkeit auf
dem kunstwissenschaftlichen Gebiete entgegen, die mich um so an-
genehmer berührte, als ich sie für die Wirksamkeit einer Pflanz-
fchule von Berlin nehmen zu dürfen glaube. Man muß wissen,
daß bisher an keiner russischen Universität ein Lehrstuhl der
Kunstgeschichte bestand. Der ältesten Hochschule des Kaiserreichs
sollte es Vorbehalten bleiben, einen solchen zuerst zu errichten.
Der Ihnen durch seine eifrigen Studien in Berlin bekannte Carl
Görtz wurde durch kaiserlichen Befehl als Dozent berufen und
entsprach den von ihm gehegten Erwartungen zunächst durch ein-
gehende Vorlesungen über die Kunst der alten Völker, namentlich
der Aegypter, denen die übrigen Völker und Zeiten folgen werden.
Außer dieser akademischen Thätigkeit sucht der fleißige Gelehrte
durch populäre Aufsätze in periodischen Blättern zu wirken, da
hier in Rußland, bei dem durchgängigen Mangel an öffentlichen
Kunstsammlungen, erst der Sinn für das Studium der Kunst ge-
weckt werden muß. Görtz gibt Übersichten von den Leistungen
deutscher Thätigkeit auf dem Gebiete der Kunstwissenschaften und
macht sein Publikum mit den Werken unserer Schriftsteller be-
kannt. Die Moskauer Zeitung brachte vor einiger Zeit einen
Aufsatz von ihm, der die Idee der Anlage eines ähnlichen Mu-
seums, wie es Berlin besitzt, mit Einsicht und Wärme durch-
führte. Die Sache fand vielen Anklang, und es ist Hoffnung
für die Ausführung, wenn auch in geringerem Maßstabe, vor-
handen. — Moskau besitzt auch eine Kunstakademie, mit mehr
als 100 Zöglingen. Auch diesem Institute steht eine Regeneration
bevor. Man will, daß die bisher ganz vernachlässigte wissen-
schaftliche Ausbildung der Zöglinge gefördert werde, und beab-
sichtigt, dafür entsprechende Lehrstühle zu errichten. Auch steht die
Gründung einer arckäologischen Gesellschaft in Aussicht.

Vorlng von Ebner L Scubcrt in ^LinliHNll. — Druck ter I. G. Sprandcl schcn ä?uci>l>luckerei tuicll'sk.
 
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