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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0277
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es sich um ein Jndustrieproduct handelt, dem zur höchsten Kunst-
vollkommenheit weder die Bedeutung des Stoffes, noch die Gemäß-
heit der Ausführung, noch der mächtige Eindruck, dem nichts, als
— der Künstler fehlt.
Und wie wenig Künstler der Weber ist, beweisen uns die
Cartons von Rafael, die in Hampton-Court bei London zu sehen
sind; diese heiligen Reliquien, die man, beschmutzt, durchlöchert,
zerrissen und zertreten von den Füßen der Arbeiter, aus den
Weberwerkstätten gerettet hat, wo hundert andere Meisterwerke
auf diese Weise verloren gegangen sind. Die Arbeitssäle der
heutigen Gobelinsfabrik bieten ein fast ebenso trauriges Bild.
Verkümmerte Gestalten liegen zusammengekauert hinter der lang-
wierigen Arbeit und ziehen die Spulen hin und her, ebenso theil-
nahmlos wie unbeachtet. — Ein großer Kranz, der das Bild der
Kaiserin umgeben wird, ist seit einem Jahre nur um 5 Blumen
vorgeschritten. —
Ein großer Theil jener langen, schmalen Gallerie im Louvre,
welche die Rafael's, Tintoretto's, Tizians, Murillo's, Lesueurs,
van Dyk's und viele Andere birgt, ist einigen 60. Kolossen von
Rubens gewidmet, die aber bis vor Kurzem hinter einem so
undurchdringlich schmutzigen Firnißschleier schlummerten, daß es
nicht zu staunen war, wenn die Franzosen trotz aller Betheuerungen
Anderer, die den Rubens aus Wien oder aus Dresden kannten,
in die allgemeine Bewunderung nicht einstimmen wollten. Der
Hauptton dieser Gemälde war so abschreckend, alle die köstlichen
Details so vollkommen verdeckt, die Farbenpracht so gänzlich ver-
hüllt, daß man, dadurch im Voraus eigenommen und parteiisch
gemacht, nicht einmal der kühnen Zeichnung und der großartigen
Conception Gerechtigkeit widerfahren ließ. Manche hielten Rubens
für einen jener Unglücklichen, der sich wie ein gewisser französischer
Maler unvorsichtigerweise eines rothen Grundes bedient habe, und
meinten, der rothe Grund habe der Nachwelt alle Farben weg-
gefressen; die Mehrzahl eilte aber an Rubens unbekümmert vor-
bei wie durch ein leeres Zimmer, um an das Ende der Gallerie
zu kommen. Man empfand daher keine große Entbehrung, als
dieser Theil, der den Rubens enthält, behufs der Restauration
abgeschlossen wurde. Um so mehr hatte man zu erstaunen, als
Heuer im Frühling mit der erwachenden Natur auch die Kunst
ihre Auferstehung feierte und ein neuer Rubens in nie geahnter
Ueppigkeit und Pracht wie nach langem Winterschlaf hervortrat.
Die Franzosen sind nun stolz darauf, daß ihr Rubens dem Wiener
und Dresdner Rubens auch nicht nachsteht; Alles freut sich dar-
über, die Firnißkruste, die sich von Jahr zu Jahr aus übelver-
standenem Erhaltungseifer verdickt batte, entfernt zu sehen, und
drängt sich in die lange verlassene Gallerie, um die Auferstehung
eines Künstlers zu feiern. Der Glanz und die Frische sind aber
in der That wunderbar. Oette olmir rni886lant6 — wofür die
deutsche Sprache keinen entsprechenden Ausdruck hat, — scheint
gestern erst aus dem Atelier hervorgegangen zu sein. Einem
Maler wie Rubens, dessen besondere Macht im Zauber des
Colorits liegt, konnte nichts Aergeres geschehen, als diese unglück-
liche Incrustirung, die so dicht war, daß man Scenen, die in
einer herrlichen Landschaft spielen, in ein Zimmer versetzte, Laß
alle Lichtefsekte, alle zarten Schatten, alle Modellirung verdeckt
war — und was bleibt von einem Weib des Rubens übrig,
wenn man den Glanz der Augen, das sanfte Lächeln, die Frische
der Haut, die Geschmeidigkeit der Formen, — kurz und gut, —
das Leben ausstreicht?
Jener Gleichton und Charakter, den die Werke der Baukunst
mit der Zeit gewinnen und der ihnen entschieden zusagt, jene
Patina, welche die Alten an ihren Bronzestatuen so sehr schätzten
und die wir uns bemühen auf neuen Gegenständen künstlich zu

stichen wohl steht, kurz jene Weihe des Alters mag überall zu
schätzen sein, nur in der Malerei nicht, wo ewige Jugend und
bleibender Farbenglanz zu den ersehntesten Vorzügen gehören.
Lange Dauer ist der höchste Preis, mir dem sich Reinlichkeit der
Behandlung und Bestimmtheit des Austragens belohnen. Daher
mag es auch kommen, daß nach 250 Jahren uns diese Bilder
noch mit demselben ungetrübten Feuer entgegenleuchten; daß
Rafael nach drei und einem halben Jahrhundert uns mit unver-
änderter Reinheit, seliger Ruhe und goldener Jugend anlächelt.

Kunstvereine.

Der im vergangenen Jahre verstorbene Professor und Hof-
bildhauer Rauch hat dem Unterzeichneten Verein seit seiner Grün-
dung eine fortwährende, rege Theilnahme gewidmet, indem er
sowohl das Bedürfnis; nach einer solchen Stiftung als auch die
Art und Weise ihrer Verwaltung anerkannte. Als Ehrenmitglied
gehörte der Verstorbene dem Verein seit dem Jahre 1846 an,
und bemüht, jede Gelegenheit zu ergreifen, um demselben förder-
lich zu sein, beschloß er die Reihe seiner ihm gewährten Wohl-
thaten mit einem Vermächtnis von 500 Rthlr. In dankbarer
Erinnerung an den Dahingeschiedenen fühlen wir uns verpflichtet,
diese Anzeige zu veröffentlichen.
Berlin, 31. Juli 1858.
Das Direktorium des Vereins Berliner Künstler zur
Unterstützung seiner hülfsbedürftigen Mitglieder und
deren Hinterbliebenen.
Daege. Eichens. Ewald.

UothgcLnmgeiie Erklärung.
In der Besprechung der „Löwengruppe, gezeichnet von H.
Leutemann, geschnitten von I. G. Flegel," welche sich im Juliheft
des deutschen Kunstblatts von 1858 findet, wird die Beschuldigung
ausgesprochen, daß dieselbe eine Nach- oder Umbildung einer
Wolff'schen Gruppe und das Ganze eine „Gedanken-Anleihe" sei.
Um das vollständig Unwahre dieser verletzenden Beschuldigung
darzuthun, wird die einfache Erklärung genügen, daß die Ent-
stehung meiner Composition viel früher fällt, als nach meinem
Wissen die Wolff'sche Gruppe bekannt ist, indem bereits seit 1849
eine Oelskizze von mir, die denselben Gegenstand in derselben
Weise, nur mit Veränderung des Landschaftlichen, darstellt, sich
im Besitz des Kaufmanns Herrn Paul Engelhardt in Leipzig
befindet. Auch eine Kreidezeichnung von mir, die der Holzzeichnung
als directes Original diente und derselben in jeder Beziehung
gleicht, ist bereits im Jahre 1853 auf den Kunstvereinen von
Leipzig und Dresden ausgestellt gewesen.
Zu jeder Zeit kann diese Erklärung durch die Zeugniffe der
betreffenden Personen bestätigt werden.
Berlin, 15. August 1858. Heinrich Leutemann.
ES kann fiir uns selber nur durchaus erfreulich sein, eine Anschul-
digung, wie die hier berührte, in überzeugender Weise entkräftet zu sehen,
und wir dürfen wohl hoffen, daß Herr Leutemann fernerhin jeden An-
laß zu ähnlichen Anfechtungen wird zu vermeiden wissen. Nur müssen
wir zugleich ihm wie dem Leser zu bedenken geben, wie sehr nach jenem
früheren, noch nicht ganz vergessenen Vorgänge es nahe lag, daß dieser
bedauerliche Jrrthum hervorgerufen und ausgesprochen werden konnte.
Die Redaction.

erzeugen, jene Vergübtheit, die sogar den Zeichnungen und Kupfer-

Verlag von Ebner L Senbert in Stuttgart. — Druck der I. G. Sprandel'schen Buchtruckcrei daselbst.
 
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