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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0278
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Neunter

Jahrgang.

Hctober 1858.







von Friedrich Eggers in öerlin.



Die dritte deutsche allgemeine Künstler-Versammlung
in München.

Tage der Freude und Erhebung liegen hinter uns, glückliche
Tage, da ein gütiges Schicksal Allem, was mit Ernst und Fröh-
lichkeit unternommen war, der Arbeit sowohl wie dem Vergnügen
ein vollständiges Gelingen hat zu Theil werden lassen. Ver-
suchen wir, den Inhalt dieser Tage noch einmal der Betrachtung
vorüberzuführen.
Das Beisammensein der deutschen Künstlerschaft in diesem
Jahre begann bereits am 22. Juli. An diesem Tage wurden,
wie wir schon erzählt haben, die Pforten des Glaspalastes auf-
gethan, und in seinen Werken, in den Zeugnissen seiner Muse
war jeder deutsche Künstler gegenwärtig, der nicht körperlich dem
Beginn der „Versammlung der Geister" beiwohnen konnte. Sie
haben die Werke ihrer nächsten Ahnen mitgebracht, und wenn
unter diesen, vom wackern Asmus Jacob Carstens an gerechnet,
auch mancher fehlte, den wir gern erblickt hätten — jede erste
Aufführung, heißt es ja, ist erst eine Generalprobe — so können
wir dieser Generalprobe das Zeugniß nicht versagen, daß sie ein
ungemein anziehendes, bisher nicht gebotenes Schauspiel darstellt,
welches Jedem, der Kunstwerke zu schaffen, wie Jedem, der sie zu
betrachten weiß, vielen Stoff zum Nachdenken und zur Belehrung
vor Augen legt.
Für. uns hat die historische Seite der Ausstellung die
meiste Anziehung, und unsere Betrachtung und unser Studium
richtet sich vornämlich aus diese. Die meisten Kunstwerke konnten
wir als alte Bekannte begrüßen, die meisten haben uns in früheren
Jahren Anlaß zur Würdigung ihrer Existenz gegeben. Unmög-
lich können wir uns begnügen, diejenigen, welche uns neu sind
oder welche überhaupt erst in den Kreis des Daseins treten, einer
Einzelschätzung zu unterwerfen. Vielmehr erkennen wir es als
unsere Aufgabe, bei dieser Gelegenheit das Einzelne in seinem
Zusammenhänge mit einander, in seiner Beziehung zum Ganzen
zu betrachten. Und so haben wir auch, so lange die Ausstellung
offen war, unser Studium fortgesetzt, um dann erst den Versuch
der Darlegung dessen, was sie uns zugetragen hat, zu wagen.
Wie der Ausruf der Künstler zu ^dieser Schaustellung den
allgemeinsten Anklang gefunden, so hat auch das allgemeinste
Interesse sie dauernd begleitet. Der unglückselige Fluch, der auf
dem Glaspalaste seit dem Jahr 1854 lastete, ist von ihm ge-
nommen. Tausende und aber tausende haben Heuer seine Räume
durchwandelt und ein Bild der deutschen Kunst und ein Bewußt-
sein ihres Werthes in sich ausgenommen. Wer an Sonn- und
Festtagen hindurchging durch diese vollgedrängten Räume, der
konnte, wenn auch er dazu beigetragen hatte, sie zu schmücken,
stolz sein, in dem Gedanken, daß er hier zum erstenmale nicht

vor das Publikum einer Stadt, sondern mit den Künstlern seiner
Nation vor seine Nation trete.
Dies Gefühl der deutschen Einigkeit und Gemeinsamkeit auf
dem Gebiete der geistigen Betätigung ist es auch, welches die all-
gemeinen Künstlerversammlungen hervorgerufen hat und den Grund-
zug ihres Wesens bildet. Sich als eine einzige Genossenschaft
überhaupt zu wissen und zu fühlen, wird der Künstlcrschaft nöthig sein,
wenn sie der Kunst die hohe Stellung erobern will- die sie ein-
nehmen kann und darf; — sich als eine einzige Genoffenschaft
zu fühlen, wird ihre Macht und ihr Ansehen vermehren. Aber
hoffen wir, daß sie auch die Stärke gewinnt, die höheren Aufgaben
zu lösen, welche die Fortentwicklung der Kunst stellt; ohne diesen
inneren Kern, ohne diesen mächtigen innerlichen Halt würde alle
äußere Vereinigung nichtig, unbedeutend, werthlos bleiben.
Wir haben jetzt zu betrachten, wie der heurige Künstlertag
die Idee der Vereinigung der deutschen Künstler weiter gefördert
hat. Die erste allgemeine Sitzung fand am Montag den 20.
September im Saale der Tonhalle statt.
Feodor Dietz, als vorsitzendes Mitglied des Central-Comites,
redete die Versammlung an; er hatte Rechenschaft zu geben von
dem Walten dieses Comites vom Stuttgarter bis zum Münchner
Künstlertage. Wir entnehmen seiner Rede Folgendes:
„Wie wir hier versammelt sind, haben wir in der ftufenweisen Art,
die uns hieherführte, einem Gesetze Folge gegeben, früher instinctiv,
später mit gesteigerter Klarheit des Bewußtseins — einem Gesetze, das
in dem Wesen unserer Zeit tief begründet liegt — dem Gesetze der
Association! Wo wir Hinblicken in der Welt, die uns umgibt, sehen
wir die Association auftreten und in ihrer Art die veralteten Formen
der Orden und Zünfte des Mittelalters ersetzen. Damals wie heute
galt der Satz, Vereinigung macht stark — viribus uuitis —, und es
wird dieser Satz gelten, so länge die Menschheit aus dem gleichen Stoffe
geformt ist.
Vielfach ist der Zweifel in unfern Kreisen aufgetreten mit der Be-
hauptung, die Künstlernatur eigne sich nicht für die Forderungen der
Genoffenschaft. Es mag sein, daß der ungebundene, flottirende Geist
der Künstler den Zwang nicht liebt und alle festen Formen selbst .in
äußern Dingen flieht — es mag dies sein — sicherer aber ist, daß eine
gebieterische Forderung für den deutschen Künstler vorliegt, in unserer
Zeit nach dem Mittel der Association zu greifen, wenn er die beiden
Stützpunkte seiner Lebensaufgabe, seine Ideale und seine Existenz
nicht gefährden will. Wohlan! kann der deutsche Künstler sich nicht von
selber leicht fügen in die Formen, die ihm die Pflichten für sich und das
Ganze, die ihm die Zeit auferlegt, so muß er es eben lernen! Und
sollte dies gar so schwer sein? Haben doch andere Stände, ja alle Klaffen
der Gesellschaft die Formen der Association zu ergreifen gewußt und sind
ihrer Wohlthat theilhaftig geworden, und unser Stand sollte für dieses
Problem sich unfähig erweisen? ein Stand, betraut mit einer wichtigen
Mission des menschlichen Geistes, ein Stand, der durch die Zahl seiner
Vertreter, durch die Theilnahme, die man ihm zollt, ein entschiedener
Träger der Kultur unseres Jahrhunderts ist! — So viel über die
Theorie unserer Genossenschaft.

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