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Weimar gaben Neher, Preller und G. Jäger Raum,
unfern Größten und Besten in ihren Werken nachzugehen. Außer
den oben genannten italienischen Dichtern ist der alte Vater-
Homer im Festsaalbau zu München, und im Königsban ebenda-
selbst alle übrigen griechischen Dichter, die unsere Jugend fast eher
beschäftigen als die vaterländischen Sänger, in farbige Darstel-
lungen übersetzt zu schauen. Die Apollomythe von Kaulbach's,
Eberle's und Anschütz' Hand schmückt das Odeon, die Sage
von Hercules, durch R. v. Langer, Den Palast Leuchtenberg;
ebenda begegnen wir der Geschichte vom Amor und der Psyche
von Ka ulbach, welche uns auch auf dem Rosenstein bei Stutt-
gart von G egenbaur's Hand erscheint. Die Vorhalle des
alten Museums in Berlin zeigt die Figurenfülle der ganzen
griechischen Götterwelt, welche Schinkel dort hinphantasirte. Es
würde zu viel werden, wollten wir alle allegorischen Darstellungen
aufzählen, wie sie z. B. Bendemann im Dresdener Schlosse,
Schwind im Ständesaal zu Earlsruhe, u. A. m. anderswo
ausgeführt haben. Nur noch drei landschaftliche Kreise seien er-
wähnt, mit denen wir zugleich drei vorzügliche Meister auf
ihrem Gebiete nennen: Rottmann's italienische Landschaften
unter den Arkaden in München,v Preller's Landschaften zum
Oberon in Weimar, W. Schirme r's Landschaften in der Villa
des Prinzen Albrecht bei Dresden.
Von all' diesem Neichthum war hier allerdings nur Weniges
vorhanden. Leicht hätte die Berliner Akademie den Carton von
Cornelius' „Erkennung Joseph's" aus der Casa Bartholdy senden
können, welches um so interessanter war, als dieses Bilv für eins
der ersten nach der Wiedergeburt der Künste zu gelten hat. Ebenso
haben wir sehr bedauert, die Fresken der Apollinariskirche nicht
zu finden. Dieses herrliche Werk befindet sich von den oben ge-
nannten Künstlern selber in Aquarell ausgeführt in kleinem Maß-
stabe im Besitze des großherzigen Bauherrn der Kirche, des Fürsten
von Fürstenberg, und man würde es dankbar anzuerkennen gehabt
haben, wenn diese schönen Blätter nicht gefehlt hätten. Vertiefen
wir uns jedoch nicht in die Aufzählung des Fehlenden, um nicht
ungerecht gegen das zu scheinen, was gegenwärtig war. Wäre
doch dann auch anzuführen, daß wir z. B. in Steinl e's Ent-
würfen zu den Fresken für das Kölner Museum bereits das
Zukünftige mit bekommen haben. Jene Erinnerung aber an die
monumentalen Werke unserer deutschen Maler schien uns noth-
wendig für die allgemeine Betrachtung, für die Erfassung des
Ganzen, für die Gewinnung eines bessern Bewußtseins von unserer
deutschen Malerei, — zu welchen Dingen sich der denkende Kunst-
freund gern wendet, wenn er sich von dem lockenden Zauber der
mannigfachen Einzelheiten von Bild zu Bild hat tragen lassen
und die Sehnsucht empfindet, in den verwirrenden Genuß der
Anschauung den wohlthätigen des Nachdenkens zu mischen.
Die deutsche Kunst war von den großen Meistern des Mit-
telalters bis an die Grenzen des gelobten Landes geführt worden.
Als der letzte Hügel überwunden werden sollte, als sie nahe daran
war, sich der an der griechischen Sonne gereiften Malerkunst
Italiens gleichzustellen, als Rafael von Dürer sagte: „er würde
uns alle übertreffen, wenn er wie wir die Meisterwerke der Kunst
vor Augen hätte" — da war dem deutschen Geiste eine andere
Aufgabe in der Entwickelung der Dinge gestellt worden, die Auf-
gabe der Reformation auf dem Gebiete des Glaubens. Es soll
hier nicht dargestellt werden, in welchen Ländern und in welchem
Grade die Kunst weiterblühte, noch welche immerhin achtbaren
Meister sie in deutschen Landen durch das kampferfüllte 17. Jahr-
hundert in das 18. hinein geführt haben; es soll hier nur daran
erinnert werden, daß in der Mitte dieses Jahrhunderts mit dem
Anfang der sogenannten Aufklärungsperiode ein Streben sichtbar ist,
^welches, nach langem Stillstände, also allmähligem Rückschritte, eine
Fortbewegung genannt werden kann. Was nach Nafael's Urtheile
unserm Dürer gefehlt hat, die Antike, was ihm nach seiner
eignen Behauptung (in der letzten Zeit seines Lebens) mangelte:
die Natur, auf diese beiden Dinge begann man mit Ernst und
Eifer auszugehen. Zunächst besonders auf die Antike. Das
klassische Alterthum wurde neu entdeckt. Johann Winckelmann
öffnete die Grabespforten desselben und zeigte den ewigen Gehalt
der Schönheit in seinen Schöpfungen. Von ihm angeregt, be-
gannen die deutschen Künstler seiner Zeit einen neuen reineren
Styl zu begründen; aber sie begannen erst damit und konnten
sich nicht sogleich und so unbedingt von dem Eklekticismus los-
sagen, der sie die Einwirkung der Antike aus zweiter Hand neh-
men ließ, indem sie den großen italienischen Meistern nachfolgten
und aus ihnen ihre Vorbilder wählten. Dresden behauptete da- -
mals in Deutschland die erste Stelle in Kunstangelegenheiten.
Dorthin war auch Winckelmann gegangen, um sich erst durch Adam
Fr. Oes er auf das Gebiet führen zu lassen, auf welchem er
herrschen sollte. Oeser selbst, wenn auch nicht ausgezeichnet durch
besondere Tiefe und Originalität, war doch ein entschiedener Geg-
ner des Manierismus seiner Zeit und strebte edlerer und reinerer
Gestaltung zu.
Erinnern wir uns, was unter der prächtigen, verschwen-
derischen Negierung von August II. für Kunst galt. Sie war
lediglich Dienerin der glänzenden Hoffestlichkeiten, deren Schau-
plätze sie mit allen ersinnlichen Mitteln dekorativ zu schmücken
hatte. Revüen, Jagden, Illuminationen, Schauspiele, Maskeraden,
Wasserfahrten und Narretheien, Alles mit unglaublichem Schau-
gepränge und undenklichem Verbrauch von Mythologie und Alle-
gorie begleitet, waren an der Tagesordnung. Die Form wurde
dabei ganz vom Rococo beherrscht. Die heiterste, leichtfer-
tigste und oberflächlichste Manier war die beste. Die Pracht-
bauten, welche entstanden, das Opernhaus und der Zwinger, füll-
ten sich rasch mit den hingeworfenen Fresken der Italiener, welche
sich einer besondern Gunst erfreuten. Die Porzellanfabrik in
Meißen, in Folge der Erfindung gegründet, hatte eine Kunstschule
zur Folge, die auf die Malerei den tyrannischen Einfluß des
Rococogeschmacks ausübte, in welchem sie ihrerseits noch heut und
diesen Tag verharrt. In einer solchen Zeit, unter dem Einflüsse
solcher Ansichten standen diejenigen deutschen Künstler, welchen
edlere, reinere. Bestrebungen zugesprochen werden müssen, ohne daß
Einer von ihnen im Stande gewesen wäre, durchgreifend refor-
matorisch aufzutreteu. Das Ansehen der Kunst überhaupt war
gesunken. Sie galt, — aber sie galt nur als Dienerin des
Luxus.
An ihre herrliche Vergangenheit in Griechenland und Rom
mußte erinnert werden, der Kunstgenius wollte bei seinem großen
Namen gerufen sein. Man war zu tief gesunken, um eine Hoff-
nung auf die Zukunft zu haben; man mußte sich zuvor an der
großen Vergangenheit stärken. Winckelmann beschwor sie herauf
und lehrte sie anschauen. Sein erster Schritt, seine Reformations-
thesen, waren die 1755 veröffentlichten: „Gedanken über die
Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bild-
hauerkunst," womit er dem damals herrschenden Kunstgeschmack
entschieden entgegentrat, indem er Schönheit der Form als höch-
stes Ziel der Kunst und in der Antike gegenwärtig proklamirte.
Jeder wunderte sich über die Kühnheit, womit das geschah, und
die Schrift machte das größte Aufsehen. Es ist bekannt, daß er-
den Gegnern zuvorkam, indem er selber in ihrem Sinne eine Ge-
genschrift verfaßte, um diese durch eine dritte nur um so gründ-
licher zu wiederlegen. Bald ging er nach Rom, um dort sein
Reformationswerk des Geschmacks zu vollenden.
Wir erlassen uns die Aufgabe, die ganze Gruppe seiner
Dresdner Zeitgenossen, jeden Einzelnen näher zu charakterisiren.
Weimar gaben Neher, Preller und G. Jäger Raum,
unfern Größten und Besten in ihren Werken nachzugehen. Außer
den oben genannten italienischen Dichtern ist der alte Vater-
Homer im Festsaalbau zu München, und im Königsban ebenda-
selbst alle übrigen griechischen Dichter, die unsere Jugend fast eher
beschäftigen als die vaterländischen Sänger, in farbige Darstel-
lungen übersetzt zu schauen. Die Apollomythe von Kaulbach's,
Eberle's und Anschütz' Hand schmückt das Odeon, die Sage
von Hercules, durch R. v. Langer, Den Palast Leuchtenberg;
ebenda begegnen wir der Geschichte vom Amor und der Psyche
von Ka ulbach, welche uns auch auf dem Rosenstein bei Stutt-
gart von G egenbaur's Hand erscheint. Die Vorhalle des
alten Museums in Berlin zeigt die Figurenfülle der ganzen
griechischen Götterwelt, welche Schinkel dort hinphantasirte. Es
würde zu viel werden, wollten wir alle allegorischen Darstellungen
aufzählen, wie sie z. B. Bendemann im Dresdener Schlosse,
Schwind im Ständesaal zu Earlsruhe, u. A. m. anderswo
ausgeführt haben. Nur noch drei landschaftliche Kreise seien er-
wähnt, mit denen wir zugleich drei vorzügliche Meister auf
ihrem Gebiete nennen: Rottmann's italienische Landschaften
unter den Arkaden in München,v Preller's Landschaften zum
Oberon in Weimar, W. Schirme r's Landschaften in der Villa
des Prinzen Albrecht bei Dresden.
Von all' diesem Neichthum war hier allerdings nur Weniges
vorhanden. Leicht hätte die Berliner Akademie den Carton von
Cornelius' „Erkennung Joseph's" aus der Casa Bartholdy senden
können, welches um so interessanter war, als dieses Bilv für eins
der ersten nach der Wiedergeburt der Künste zu gelten hat. Ebenso
haben wir sehr bedauert, die Fresken der Apollinariskirche nicht
zu finden. Dieses herrliche Werk befindet sich von den oben ge-
nannten Künstlern selber in Aquarell ausgeführt in kleinem Maß-
stabe im Besitze des großherzigen Bauherrn der Kirche, des Fürsten
von Fürstenberg, und man würde es dankbar anzuerkennen gehabt
haben, wenn diese schönen Blätter nicht gefehlt hätten. Vertiefen
wir uns jedoch nicht in die Aufzählung des Fehlenden, um nicht
ungerecht gegen das zu scheinen, was gegenwärtig war. Wäre
doch dann auch anzuführen, daß wir z. B. in Steinl e's Ent-
würfen zu den Fresken für das Kölner Museum bereits das
Zukünftige mit bekommen haben. Jene Erinnerung aber an die
monumentalen Werke unserer deutschen Maler schien uns noth-
wendig für die allgemeine Betrachtung, für die Erfassung des
Ganzen, für die Gewinnung eines bessern Bewußtseins von unserer
deutschen Malerei, — zu welchen Dingen sich der denkende Kunst-
freund gern wendet, wenn er sich von dem lockenden Zauber der
mannigfachen Einzelheiten von Bild zu Bild hat tragen lassen
und die Sehnsucht empfindet, in den verwirrenden Genuß der
Anschauung den wohlthätigen des Nachdenkens zu mischen.
Die deutsche Kunst war von den großen Meistern des Mit-
telalters bis an die Grenzen des gelobten Landes geführt worden.
Als der letzte Hügel überwunden werden sollte, als sie nahe daran
war, sich der an der griechischen Sonne gereiften Malerkunst
Italiens gleichzustellen, als Rafael von Dürer sagte: „er würde
uns alle übertreffen, wenn er wie wir die Meisterwerke der Kunst
vor Augen hätte" — da war dem deutschen Geiste eine andere
Aufgabe in der Entwickelung der Dinge gestellt worden, die Auf-
gabe der Reformation auf dem Gebiete des Glaubens. Es soll
hier nicht dargestellt werden, in welchen Ländern und in welchem
Grade die Kunst weiterblühte, noch welche immerhin achtbaren
Meister sie in deutschen Landen durch das kampferfüllte 17. Jahr-
hundert in das 18. hinein geführt haben; es soll hier nur daran
erinnert werden, daß in der Mitte dieses Jahrhunderts mit dem
Anfang der sogenannten Aufklärungsperiode ein Streben sichtbar ist,
^welches, nach langem Stillstände, also allmähligem Rückschritte, eine
Fortbewegung genannt werden kann. Was nach Nafael's Urtheile
unserm Dürer gefehlt hat, die Antike, was ihm nach seiner
eignen Behauptung (in der letzten Zeit seines Lebens) mangelte:
die Natur, auf diese beiden Dinge begann man mit Ernst und
Eifer auszugehen. Zunächst besonders auf die Antike. Das
klassische Alterthum wurde neu entdeckt. Johann Winckelmann
öffnete die Grabespforten desselben und zeigte den ewigen Gehalt
der Schönheit in seinen Schöpfungen. Von ihm angeregt, be-
gannen die deutschen Künstler seiner Zeit einen neuen reineren
Styl zu begründen; aber sie begannen erst damit und konnten
sich nicht sogleich und so unbedingt von dem Eklekticismus los-
sagen, der sie die Einwirkung der Antike aus zweiter Hand neh-
men ließ, indem sie den großen italienischen Meistern nachfolgten
und aus ihnen ihre Vorbilder wählten. Dresden behauptete da- -
mals in Deutschland die erste Stelle in Kunstangelegenheiten.
Dorthin war auch Winckelmann gegangen, um sich erst durch Adam
Fr. Oes er auf das Gebiet führen zu lassen, auf welchem er
herrschen sollte. Oeser selbst, wenn auch nicht ausgezeichnet durch
besondere Tiefe und Originalität, war doch ein entschiedener Geg-
ner des Manierismus seiner Zeit und strebte edlerer und reinerer
Gestaltung zu.
Erinnern wir uns, was unter der prächtigen, verschwen-
derischen Negierung von August II. für Kunst galt. Sie war
lediglich Dienerin der glänzenden Hoffestlichkeiten, deren Schau-
plätze sie mit allen ersinnlichen Mitteln dekorativ zu schmücken
hatte. Revüen, Jagden, Illuminationen, Schauspiele, Maskeraden,
Wasserfahrten und Narretheien, Alles mit unglaublichem Schau-
gepränge und undenklichem Verbrauch von Mythologie und Alle-
gorie begleitet, waren an der Tagesordnung. Die Form wurde
dabei ganz vom Rococo beherrscht. Die heiterste, leichtfer-
tigste und oberflächlichste Manier war die beste. Die Pracht-
bauten, welche entstanden, das Opernhaus und der Zwinger, füll-
ten sich rasch mit den hingeworfenen Fresken der Italiener, welche
sich einer besondern Gunst erfreuten. Die Porzellanfabrik in
Meißen, in Folge der Erfindung gegründet, hatte eine Kunstschule
zur Folge, die auf die Malerei den tyrannischen Einfluß des
Rococogeschmacks ausübte, in welchem sie ihrerseits noch heut und
diesen Tag verharrt. In einer solchen Zeit, unter dem Einflüsse
solcher Ansichten standen diejenigen deutschen Künstler, welchen
edlere, reinere. Bestrebungen zugesprochen werden müssen, ohne daß
Einer von ihnen im Stande gewesen wäre, durchgreifend refor-
matorisch aufzutreteu. Das Ansehen der Kunst überhaupt war
gesunken. Sie galt, — aber sie galt nur als Dienerin des
Luxus.
An ihre herrliche Vergangenheit in Griechenland und Rom
mußte erinnert werden, der Kunstgenius wollte bei seinem großen
Namen gerufen sein. Man war zu tief gesunken, um eine Hoff-
nung auf die Zukunft zu haben; man mußte sich zuvor an der
großen Vergangenheit stärken. Winckelmann beschwor sie herauf
und lehrte sie anschauen. Sein erster Schritt, seine Reformations-
thesen, waren die 1755 veröffentlichten: „Gedanken über die
Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bild-
hauerkunst," womit er dem damals herrschenden Kunstgeschmack
entschieden entgegentrat, indem er Schönheit der Form als höch-
stes Ziel der Kunst und in der Antike gegenwärtig proklamirte.
Jeder wunderte sich über die Kühnheit, womit das geschah, und
die Schrift machte das größte Aufsehen. Es ist bekannt, daß er-
den Gegnern zuvorkam, indem er selber in ihrem Sinne eine Ge-
genschrift verfaßte, um diese durch eine dritte nur um so gründ-
licher zu wiederlegen. Bald ging er nach Rom, um dort sein
Reformationswerk des Geschmacks zu vollenden.
Wir erlassen uns die Aufgabe, die ganze Gruppe seiner
Dresdner Zeitgenossen, jeden Einzelnen näher zu charakterisiren.