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es nicht geschehen ist, und sind im Stande, zwei Namen wenigstens
beizubringen: „Vom Sahn de sick wat verficht" rührt von I. G- E.
Kugler her, dem Vater unseres Kunstforschers, der in Pommern, in
und bei Stettin lebte. Es findet sich hier und da etwas anders und
zwar charakteristischer unter Nr. 20 in Büsching und v. d. Hagen's
ammlung deutscher Volkslieder", und wird daselbst aufgeführt
S
als mündliche Ueberlieferung aus Ziemkendorf in der Ukermark an
der pommerschen Grenze, soll indeß auch als fliegendes Blatt existiren.
„De Hünen", "de Lewark un de Sünn" sind zwei Gedichte
von Ludwig Giesebrecht, der in seinen „Gedichten" (Leipzig 1836),
ein Buch der Niedersachsen, ihrer sechszehn mittheilt, durch welche
er sich als einen plattdeutschen Dichter vom reinsten Wasser dar-
stellt. Eins dieser Lieder: „Wihnachtsheiligabcnd" ist von Franz
Kugler in seinen Liederheften (Stuttgart, Ebner u. Seubert) sehr
schön in Musik gesetzt.
Noch haben wir den Hamburger I. N. Bärmann zu erwäh-
nen, von dem der Vers, auch einige, zum Theil sehr ansprechende
Sachen ausgenommen hat, vor allen: „Dat Kinnerspill." So viel
wir wissen, epiftirt von diesem Dichter auch ein plattdeutsches Lust-
spiel: „Kwatern", welches ehedem mit Beifall gegeben sein soll. Wir
können nicht aus eigener Kenntniß darüber berichten.
Daß der alte Lauremberg und der ehrliche Sackmann auch
nicht in dem Buche fehlen, versteht sich und bestätigt unseren Aus-
spruch, daß Raabe sich recht fleißig, umgesehen hat, um nach allen
Richtungen hin eine recht mannigfaltige Sammlung zusammen-
zubringen.
Jngcndschriften von Ferdinand Schmidt.
Homer s Odyssee bei G. Wehrend; Nibelungen, Gudrun, Fichte's Jugend,
Herder als Knabe und Jüngling, Mozart, Ianko der Maler u. s. w.
bei Carl Barthol. Berlin.
Düs unendlich Kleine ist, wie in der Mathematik so in Philo-
sophie und Leben, eben so schwierig zu erfassen, als das unendlich
Große, wiefern eben in beiden das Unendliche ist. Die Gestaltung
und Pflanzung des unendlichen geistigen Gehaltes ist in gleicher
Weise die Frucht eigenthümlicher Schöpfungskraft, ob es für die
Großen, Erwachsenen, oder für die Kleinen, Erwachenden geschieht.
Darum ist, wie weit verschieden auch die Art und das Ziel des
Schaffens sei, doch die Seltenheit des Gelingens die gleiche. Was
dort die Bildung und Ausbildung des Hohen und Höchsten im
McnscheNthum ist, das ist hier die Hineinbildung desselben in die
Menschenkinder. Jugendschristen gehören deshalb zu dem Schwer-
sten und gute zu dem Besten was die Literatur hervorzubringen
vermag; freilich dann nur, wenn man den Maßstab daran legt, der
in dem Gesagten angedeutct ist. Der Autor von Jugendschriften
muß zu dem Gemüth des Kindes hinabsteigen und mit ihm gleich
werden; dies kann auf einem zwiefachen Wege geschehen, so wie der
Unterschied der eigenthümlichcn Stufe des kindlichen Geistes von
dem des Erwachsenen zwiefach aufgefaßt werden kann: er wendet
sich entweder an die Reinheit, Unschuld und Empfänglichkeit des
Kindes und wird mit ihm ein kindlicher Engel oder an die Unwis-
senheit, Unbildung und zerstreute, ziellose Neigung und wird ein kin-
discher Narr. Das Kind z. B. dürstet nach Anbetung und Vereh-
rung, aber der Eine macht ihm aus seinem täglichen Schmuck und
Zierrath ein goldenes Kalb, der Andere bringt ihm die Bundes-
tafeln vom Himmel. Dies ist das wahre Verhältniß zwischen dem
Struwelpeter, Tolpatsch und Plappermäulchen gegen die biblischen
Erzählungen und die Odyssee. Jean Pauls Ausspruch enthält eine
ewige Wahrheit: für Kinder sind nur die besten Bücher eben gut
genug. Was von den Kindern, gilt eben auch für das Volk, das
in seiner männlichen Reife nur noch eine kindhaste Bildung hat.
Und hier haben wir den rechten Maßstab, welcher wechselseitig an-
gewendet werden mag: die besten Jugendschriften sind die, welche
zugleich die besten Volksschriften sind, und umgekehrt. In Folge
dieser Gegenseitigkeit wird freilich der Sinn des Maßstabes unge-
wiß, und wir müssen ihn an sich erläutern, zumal für die Volks-
schriften allerdings noch andere Elemente hinzutreten können, welche
ihr einen mehr individuellen Character geben, z. B. specifisch nationale
und praktische. — Betrachten wir die Sache sogleich im Zusammen-
hänge mit ihren psychologischen Gründen. Der Werth und die
Größe eines jeden Dinges wird nur durch Vergleichung erkannt;
Kinder halten daher nur das Größere für groß, nur in dem Edel-
sten erkennen sie das Gute, nur das Sonnenklare überzeugt sie und
giebt ihnen ein Bewußtsein von der Wahrheit; hier ist der Vergleich
leichter und was noch wesentlicher, nur hier werden sie zur Verglei-
chung geführt; Vergleichen ist ein Act des Bewußtseins, und Kin-
der und Leute aus dem Volke vollziehen ihn nur, wenn der Gegen-
stand sie durch seine Größe dazu anleitet. Was Recht und was
Unrecht ist, erkennt jedes Kind und jeder Bauer in einer großen
Handlung, aber die feinen Grenzen des Rechts in einem schwierigen
Prozeß verschwinden dem nicht mit Jurisprudenz bewaffneten Auge.
Aus diesem Grunde begreift das Kind leichter die höchste Weisheit,
die reine Güte, das Erhabene und Schönste als die einfachste Regel
der Klugheit; und nicht das gemeine, sondern nur das ungemeine
Böse eignet sich daher zu seiner abschreckenden und aufklärenden Be-
lehrung. — So wie zur Auffassung, so und noch mehr zur befruch-
tenden Wirkung in der Seele des Kindes gelangt nur das reine, hohe,
ideale Gute und Wahre; das Individuelle, Kleine, Endliche wird
nur in seiner Vereinzelung als eine Thatsache aufgefaßt, mehr oder
minder leicht vergessen, und im günstigsten Falle im Gedächtniß be-
wahrt, das Große und Allgemeine aber wirkt belebend auf das Ge-
müth, als ein den Menschen nach sich ziehendes Ideal, gestaltet sich
zum regulativen Princip. Schon die Volksschrift muß deshalb aus
der Enge und Kleinheit des gewohnten Lebenskreises weit hinaus-
greifen; noch mehr aber die Jngendschrift, welche sich nicht blos zu
großen, sondern den größten Menschen erheben, Propheten, Heroen
und Götter, Könige und Helden mit ihren weitumfassenden Verhält-
nissen darstellen. Man sage uns nicht, dem Kinde und Volke müsse
Lehre gegeben werden, die es zu befolgen Kraft und Gelegenheit
habe; das hieße nicht den Menschen bilden und erziehen, sondern
nur ihn für sein tägliches Thun dressiren, und das thun Vater und
Mutter, Gouvernante und Informator mehr als genug; die Schrift
soll dem Kinde eine höhere Welt eröffnen, ihm das Ideal des Le-
bens erschließen. In so kleinen Schritten folgt der Fuß dem Pfade
der Idee, daß ihr das Ziel nicht fern genug setzen könnt, um den
Willen anzuspornen. „Der da geboren ward, um ein Mensch zu
sein, soll und kann nichts Edleres, Höheres und Besseres als ein
Mensch sein; aber eben damit er nicht weniger als ein Mensch
werde, sollte er jederzeit streben, mehr als ein Mensch zu sein."
(Wieland.)
Aber das Ideal muß wirksam werden und darum das Ziel
sichtbar, deutlich, anziehend und lockend sein; eben deshalb nicht blos
groß und erhaben, sondern dem jugendlichen Sinne auch in anderer
Weise angemessen. Nicht das conventionelle, vielverzweigte, auf dem
langen Wege der Geschichte durch allerlei Verhältnisse mehr und
mehr verwickelte und von der Natur entfernte Leben darf Gegenstand
der Jugendpoesie sein. Es dürfte unendlich schwer sein, aus un-
serem Spätleben der Civilisation heraus solche Dichtung zu
schaffen; klar, einfach, frisch, lebensvoll und erhaben, wie die Ju-
gendquelle des Lebens selbst ist die Jugendgeschichte der Völker, —
sie ist die eigenste, wenn nicht einzige, Literatur der Jugend. Frostig
ist Alles, was wir über den Zweck des Studiums der Geschichte für
es nicht geschehen ist, und sind im Stande, zwei Namen wenigstens
beizubringen: „Vom Sahn de sick wat verficht" rührt von I. G- E.
Kugler her, dem Vater unseres Kunstforschers, der in Pommern, in
und bei Stettin lebte. Es findet sich hier und da etwas anders und
zwar charakteristischer unter Nr. 20 in Büsching und v. d. Hagen's
ammlung deutscher Volkslieder", und wird daselbst aufgeführt
S
als mündliche Ueberlieferung aus Ziemkendorf in der Ukermark an
der pommerschen Grenze, soll indeß auch als fliegendes Blatt existiren.
„De Hünen", "de Lewark un de Sünn" sind zwei Gedichte
von Ludwig Giesebrecht, der in seinen „Gedichten" (Leipzig 1836),
ein Buch der Niedersachsen, ihrer sechszehn mittheilt, durch welche
er sich als einen plattdeutschen Dichter vom reinsten Wasser dar-
stellt. Eins dieser Lieder: „Wihnachtsheiligabcnd" ist von Franz
Kugler in seinen Liederheften (Stuttgart, Ebner u. Seubert) sehr
schön in Musik gesetzt.
Noch haben wir den Hamburger I. N. Bärmann zu erwäh-
nen, von dem der Vers, auch einige, zum Theil sehr ansprechende
Sachen ausgenommen hat, vor allen: „Dat Kinnerspill." So viel
wir wissen, epiftirt von diesem Dichter auch ein plattdeutsches Lust-
spiel: „Kwatern", welches ehedem mit Beifall gegeben sein soll. Wir
können nicht aus eigener Kenntniß darüber berichten.
Daß der alte Lauremberg und der ehrliche Sackmann auch
nicht in dem Buche fehlen, versteht sich und bestätigt unseren Aus-
spruch, daß Raabe sich recht fleißig, umgesehen hat, um nach allen
Richtungen hin eine recht mannigfaltige Sammlung zusammen-
zubringen.
Jngcndschriften von Ferdinand Schmidt.
Homer s Odyssee bei G. Wehrend; Nibelungen, Gudrun, Fichte's Jugend,
Herder als Knabe und Jüngling, Mozart, Ianko der Maler u. s. w.
bei Carl Barthol. Berlin.
Düs unendlich Kleine ist, wie in der Mathematik so in Philo-
sophie und Leben, eben so schwierig zu erfassen, als das unendlich
Große, wiefern eben in beiden das Unendliche ist. Die Gestaltung
und Pflanzung des unendlichen geistigen Gehaltes ist in gleicher
Weise die Frucht eigenthümlicher Schöpfungskraft, ob es für die
Großen, Erwachsenen, oder für die Kleinen, Erwachenden geschieht.
Darum ist, wie weit verschieden auch die Art und das Ziel des
Schaffens sei, doch die Seltenheit des Gelingens die gleiche. Was
dort die Bildung und Ausbildung des Hohen und Höchsten im
McnscheNthum ist, das ist hier die Hineinbildung desselben in die
Menschenkinder. Jugendschristen gehören deshalb zu dem Schwer-
sten und gute zu dem Besten was die Literatur hervorzubringen
vermag; freilich dann nur, wenn man den Maßstab daran legt, der
in dem Gesagten angedeutct ist. Der Autor von Jugendschriften
muß zu dem Gemüth des Kindes hinabsteigen und mit ihm gleich
werden; dies kann auf einem zwiefachen Wege geschehen, so wie der
Unterschied der eigenthümlichcn Stufe des kindlichen Geistes von
dem des Erwachsenen zwiefach aufgefaßt werden kann: er wendet
sich entweder an die Reinheit, Unschuld und Empfänglichkeit des
Kindes und wird mit ihm ein kindlicher Engel oder an die Unwis-
senheit, Unbildung und zerstreute, ziellose Neigung und wird ein kin-
discher Narr. Das Kind z. B. dürstet nach Anbetung und Vereh-
rung, aber der Eine macht ihm aus seinem täglichen Schmuck und
Zierrath ein goldenes Kalb, der Andere bringt ihm die Bundes-
tafeln vom Himmel. Dies ist das wahre Verhältniß zwischen dem
Struwelpeter, Tolpatsch und Plappermäulchen gegen die biblischen
Erzählungen und die Odyssee. Jean Pauls Ausspruch enthält eine
ewige Wahrheit: für Kinder sind nur die besten Bücher eben gut
genug. Was von den Kindern, gilt eben auch für das Volk, das
in seiner männlichen Reife nur noch eine kindhaste Bildung hat.
Und hier haben wir den rechten Maßstab, welcher wechselseitig an-
gewendet werden mag: die besten Jugendschriften sind die, welche
zugleich die besten Volksschriften sind, und umgekehrt. In Folge
dieser Gegenseitigkeit wird freilich der Sinn des Maßstabes unge-
wiß, und wir müssen ihn an sich erläutern, zumal für die Volks-
schriften allerdings noch andere Elemente hinzutreten können, welche
ihr einen mehr individuellen Character geben, z. B. specifisch nationale
und praktische. — Betrachten wir die Sache sogleich im Zusammen-
hänge mit ihren psychologischen Gründen. Der Werth und die
Größe eines jeden Dinges wird nur durch Vergleichung erkannt;
Kinder halten daher nur das Größere für groß, nur in dem Edel-
sten erkennen sie das Gute, nur das Sonnenklare überzeugt sie und
giebt ihnen ein Bewußtsein von der Wahrheit; hier ist der Vergleich
leichter und was noch wesentlicher, nur hier werden sie zur Verglei-
chung geführt; Vergleichen ist ein Act des Bewußtseins, und Kin-
der und Leute aus dem Volke vollziehen ihn nur, wenn der Gegen-
stand sie durch seine Größe dazu anleitet. Was Recht und was
Unrecht ist, erkennt jedes Kind und jeder Bauer in einer großen
Handlung, aber die feinen Grenzen des Rechts in einem schwierigen
Prozeß verschwinden dem nicht mit Jurisprudenz bewaffneten Auge.
Aus diesem Grunde begreift das Kind leichter die höchste Weisheit,
die reine Güte, das Erhabene und Schönste als die einfachste Regel
der Klugheit; und nicht das gemeine, sondern nur das ungemeine
Böse eignet sich daher zu seiner abschreckenden und aufklärenden Be-
lehrung. — So wie zur Auffassung, so und noch mehr zur befruch-
tenden Wirkung in der Seele des Kindes gelangt nur das reine, hohe,
ideale Gute und Wahre; das Individuelle, Kleine, Endliche wird
nur in seiner Vereinzelung als eine Thatsache aufgefaßt, mehr oder
minder leicht vergessen, und im günstigsten Falle im Gedächtniß be-
wahrt, das Große und Allgemeine aber wirkt belebend auf das Ge-
müth, als ein den Menschen nach sich ziehendes Ideal, gestaltet sich
zum regulativen Princip. Schon die Volksschrift muß deshalb aus
der Enge und Kleinheit des gewohnten Lebenskreises weit hinaus-
greifen; noch mehr aber die Jngendschrift, welche sich nicht blos zu
großen, sondern den größten Menschen erheben, Propheten, Heroen
und Götter, Könige und Helden mit ihren weitumfassenden Verhält-
nissen darstellen. Man sage uns nicht, dem Kinde und Volke müsse
Lehre gegeben werden, die es zu befolgen Kraft und Gelegenheit
habe; das hieße nicht den Menschen bilden und erziehen, sondern
nur ihn für sein tägliches Thun dressiren, und das thun Vater und
Mutter, Gouvernante und Informator mehr als genug; die Schrift
soll dem Kinde eine höhere Welt eröffnen, ihm das Ideal des Le-
bens erschließen. In so kleinen Schritten folgt der Fuß dem Pfade
der Idee, daß ihr das Ziel nicht fern genug setzen könnt, um den
Willen anzuspornen. „Der da geboren ward, um ein Mensch zu
sein, soll und kann nichts Edleres, Höheres und Besseres als ein
Mensch sein; aber eben damit er nicht weniger als ein Mensch
werde, sollte er jederzeit streben, mehr als ein Mensch zu sein."
(Wieland.)
Aber das Ideal muß wirksam werden und darum das Ziel
sichtbar, deutlich, anziehend und lockend sein; eben deshalb nicht blos
groß und erhaben, sondern dem jugendlichen Sinne auch in anderer
Weise angemessen. Nicht das conventionelle, vielverzweigte, auf dem
langen Wege der Geschichte durch allerlei Verhältnisse mehr und
mehr verwickelte und von der Natur entfernte Leben darf Gegenstand
der Jugendpoesie sein. Es dürfte unendlich schwer sein, aus un-
serem Spätleben der Civilisation heraus solche Dichtung zu
schaffen; klar, einfach, frisch, lebensvoll und erhaben, wie die Ju-
gendquelle des Lebens selbst ist die Jugendgeschichte der Völker, —
sie ist die eigenste, wenn nicht einzige, Literatur der Jugend. Frostig
ist Alles, was wir über den Zweck des Studiums der Geschichte für