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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 2.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1204#0100
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deutschen Schriftsteller in ähnlichen Auffassungen und Darstellungs-
formen begegnen, so liegt die Vernmthung nahe, daß er durch eine
französische Schule hindurchgegangen sei, oder mindestens durch das
Behagen an ihr von ihrem Geiste, vielleicht unbewußt, sich habe lei-
ten lassen. Für den vorliegenden Fall ist in dieser Beziehung eine
gelegentliche Aeußerung Kossak's wir wollen nicht sagen verrätherisch,
aber doch bemcrkenswerth. Er führt an, daß vor zweiundzwanzig
Jahren sich Jules Janin in einem seiner Artikel bitterlich über die
Verwahrlosung des Hundegeschlechts von Paris beklagt habe, und
daß die Lektüre dieses Artikels ihn, Kossak, auf den Gedanken ge-
bracht, einige Forschungen anzustellen über die Art und Weise, wie
man im Jahre 1855 mit den treuen Gefährten der Menschen um-
gehe. Nicht das Interesse, welches unser Autor hier den Hunden
zuwendet, sondern die Beschäftigung mit den Artikeln eines Jules
Janin ist cs, auf welche wir an dieser Stelle Hinweisen wollen. Er
hat damit den Meister genannt, dessen Schüler er ist, und wir wol-
len mit dieser Bezeichnung weder seiner vorliegenden Schrift, noch
seinem schriftstellerischen Ruhme zu nahe treten. Nur das Räthsel
wollen wir lösen, das uns in einem deutsch geschriebenen, aber ganz
von französischem Hauche durchweheten Buche entgegentritt. Oder
irren wir uns? Genügt eö vielleicht schon, einige Wochen lang die
Lust der Hauptstadt Frankreichs zu athmen, um die frappanten An-
schauungsweisen ihrer Bewohner sich zu eigen zu machen? Wir
glauben es kaum. Aber wir verzichten um so lieber auf ein näheres
Eingehen in die hier beregte Frage, als auch die glücklichste Lösung
derselben nur wenig dazu beitragen würde, den Genuß an einem
Buche zu erhöhen, das in deutscher Zunge französisch über franzö-
sische Zustände und Sitten redet.

JUrnet und die Völker.

Ein christlicher Dithyrambus von E. Kirchhofs. Kiel. 1855.

Akademische Buchhandlung.

Das ist unzweifelhaft, daß die Schönheit eines Gedichtes we-
sentlich in dem Maaßvoüen seiner Anlage sich bekundet. Aber die-
ser Satz hat in dem vorliegenden Dithyrambus eine Anwendung
gesunden, die an Carricatur grenzt. „Die heiligen Zahlen Israels:
3, die des Göttlichen, 7, die des Bundes mit Gott und 5, die des
Unvollendeten — denn Israels Vollendung steht erst bevor — glie-
dern das Ganze, welches 9 Mal 35 Verse hat, wovon 2 auf Rom,
2 aus Hellas, 5 auf Israel kommen." So belehrt uns eine am
Schlüsse stehende Anmerkung. Was kann das frommen? Was hat
dergleichen kabbalistisches Zählen mit der Poesie gemein? Und wenn
der vorliegende Dithyrambus auf dem Titel ein „christlicher" ge-
nannt wird, was ist christliches in dieser seiner Gliederung? Ist
dem Verfasser bei seiner Arbeit denn gar nicht der Gedanke war-
nend vor die Seele getreten, daß er für ein derartiges arithmetisches
Kunststück nirgend mehr einen Dank, nirgend mehr einen Bewun-
derer finden werde? Nur in einer sehr isolirten Stellung scheint
es möglich zu sein, eine derartige Warnung entweder nicht zu ver-
nehmen, oder, wenn sie vernommen wird, sie zu überhören. — Der
Inhalt des Gedichts verläuft so, daß nach seinem religiös-sittlichen
Entwicklungsprozeß zuerst Hellas, dann Rom, endlich Israel ge-
schildert wird, letzteres in dem Sinne, in welchem das Christen-
thum als die höchste Entwicklungsstufe desselben erscheint. Aber auch
diese Schilderung ist — dem Character der Anlage entsprechend —
überall mehr verständig zurechtgelegt und künstlich zusammengefügt
als tief empfunden; aller stolzen Phrasen ungeachtet fehlt ihr der

Schwung seliger Begeisterung, und darum läßt sie uns kalt, wenn
sie nicht gar stellenweis uns durch ihre Unklarheit verstimmt. Oder
ist es zu verstehen, wenn es von der Wirksamkeit der Apostel
heißt:

Denn des Herrn bußescheue (?) Kinder
Wie der Sturm fegt den Himmel,

Vollbrachten sie wider Willen
Der Welt größte Thaten,

Zeugten des Alls Leben, da Gnade starb (?) durch Frevel. —?

Mehr dem Aehnliches zu schreiben hat sich der Dichter nicht
gescheut; wir aber nehmen Anstand unsere Leser noch länger damit
zu unterhalten.

Die 8chillerjllsiung.

Als im Monat Mai dieses Jahres in allen Gauen des Vaterlandes die
Erinnerung an die Todesstunde gefeiert wurde, die vor fünfzig Jahren unserm
großen und edlen Friedrich Schiller, nicht zu fnih für seine eigne Vollen-
dung, wohl aber zu früh für sein Volk und seine Zeit schlagen mußte, wurde in
Dresden aus seinen unsterblichen Namen eine Stiftung begründet.

Eingedenk der Klage, die sich durch des Dichters eignes Leben zieht, daß,
wie er selbst gesungen, bei der Theilungl der Güter dieser Erde der Genius zu
spät kam und nur am Tisch der Himmlischen seinen Platz offen fand, vereinigte
sich eiu Kreis von Literaturfreunden, um eine Schöpfung ins Leben zu rufen,
wie bereits ähnliche in Frankreich und England segensreiche Wirkungen verbreitet
haben. Diejenigen Talente, die die Mehrung der Literatur deutscher Nation im
Geiste der großen Vorbilder zum Lebensberuf wählten, sollen für sich und ihre
Hinterbliebenen im Fall ihnen verhängter schwerer.Lebenssorge hinfort vor Man-
gel, dem Roste, der sich selbst an edelstes Metall zerstörend ausetzt, gesichert sein.

Unser Aufruf „An die Deutschen" fand in allen Kreisen des Vaterlandes
Verbreitung. Unsere Bitte um eine unmittelbare Beisteuer 31t unserm Werke
patriotischer Dankbarkeit ergab bis zum heutigen Tage die theils baar eingezahlte,
theils sicher in Aussicht gestellte Summe von nahezu 3000 Thlrn. Unsere Auf-
forderung, Filialvereine der Schillerstiftung an allen Orten zu verrichten, wo
auch nur wenig einzelne Edle im Stande sind, von materiellen Dingen sich zur
Pflege höherer Güter zn erheben, blieb nicht ohne Anklang. Schillerstiftnngen
sind theils schon begründet, theils in der Bildung begriffen in Wien, Berlin,
München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Hamburg, Leipzig,
Breslau, Darmstadt, Offenbach, Nürnberg, Rudolstadt, Gera und
andern Orten, deren Beitritt zu dem gemeinsamen Werke sich in Vorbereitung
befindet.

Wir ergreifen die Veranlassung der wiedergekehrten Geburtsfeier Schiller's,
die auf seinen Namen begründete Stiftung auf's Neue der nationalen Förderung
zu empfehlen. Nicht nur unmittelbare Gaben, die die Unterzeichneten entgegen
zu nehmen bereit sind, werden unser Werk der Liebe und Dankbarkeit fördern,
auch die Veranstaltungen öffentlicher Concerte und Bühnenvorstellungen, wie sie
schon in Dresden, Hamburg und Darmstadt der Schillerstiftung ansehnlichen Er-
trag zuwandteu, empfehlen wir mit ebenso angelegentlicher Bitte, wie die fernere
Begründung von Zweig- oder Fitialvercineu. Die nächsten Zwecke aller dieser
Betriebsmittel können jetzt nur die Ansammlung eines Capitals sein, dessen zinS-
liche Verwendung im Jahre 1859, als den: hundertjährigen Gedächtnißjabre der
Geburt Schiller's, beginnen soll. In welchen Formen diese Verwendung zu
geschehen hat, — welche gründlichere Organisation der Schillerstiftung zu geben
ist, — welches die näheren Merkmale derjenigen schriftstellerischen Leistungen sein
müssen, die auf die Unterstützung der Schillerstiftung Anspruch machen dürfen, —
alle diese Fragen bleiben bis zu einem im Jahre 1859 von den Vorständen
sämmtlicher Zweig-Schillerstiftungen zu beschickenden Hauptversammlungstage
offene. Sie werden, in dieser Zuversicht beharren wir, in einem Geiste beant-
wortet werden, der die Bürgschaft giebt, daß die Schillerstiftuug sich würdig
jenen Jusiitutioueu anreiht, in welchen die deutsche Nation, ob auch durch ge-
schichtliche Ueberlieferung, ja selbst im Glauben getrennt, doch durch Sprache,
Wissen und die reinen Quellen aller höheren Bildung sich in ihrer unauflösli-
chen Einheit wieder zusammenfindet.

Dresden, im November 1855,

per provisorische Vorstand der Schillerstittung.

Di'. C. G. Carus, geheimer Med.-Rath. Di*. Karl Gutzkow. Dl . Julius
Hammer. Di*. Gustav Klemm, K. S. Hofrath u. Oberbibliothekar. Major
Serre auf Maxen, v. Wietersheim, K. S. Staatsminister a. D. Hofrath u.

Vicedireetor Karl Winkler.

Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Lrowihfch und Sohn in Berlin.
 
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