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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Rüttenauer, Benno: Hans Christiansen und sein Haus
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0061
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B. Rüttenauer: Hans Christiansen und sein Haus.

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unserem deutschen Natur-
Gefühl entspricht. Dass
Christiansen diese Grenze
auch in seinen vollkom-
menst-dekorativen Werken
nicht überschreitet, ist zu-
gleich seine persönliche und
seine spezifisch deutsche
Künstler-Artung. Er ver-
wendet die Farbe nicht ab-
strakt, wie dies heute viele
mit der Linie thun und
verlangen. Seine Farbe
hat Melodie, und diese ist
in der Natur gefunden.
Farben - Freudigkeit und
Natur-Freudigkeit sind bei
ihm eins. Seine Blumen-
Ornamente wirken manch-
mal wie lebendig gewor-
dene uralte Erinnerungen
unseres Volkes. Er ist
vielleicht nicht sehr sicher
in seinem Geschmack, und
an's Rohe mag er manch-
mal anklingen; einen deli-
kateren Geschmack mag
er manchmal verletzen,
Böcklin auch verletzt die
Franzosen: das sind viel-
leicht Mängel, die der
Deutsche überhaupt nie ganz überwindet,
die wir auch nicht ungern in Kauf nehmen,
wenn sie in Begleitung einer starken
schöpferischen Phantasie auftreten. Ich
musste Christiansen lieben von seinem ersten
Werk an, das mir zu Gesicht kam. Und
wenn ich dann gelegentlich auch einmal den
Kopf schütteln musste über allzugrosse Un-
sicherheit im Geschmack, im ganzen ist ihm
meine Liebe treu geblieben. Und als dann
der junge Grossherzog von Hessen diesen
deutschen Künstler aus Paris zurückholte
und als künstlerischen Berater in seine Nähe
zog, da fühlte ich eine starke Sympathie
auch zu diesem Fürsten.

Und anderen erging es wie mir. Alt-
entwöhnte Hoffnungen wurden lebendig.

Die Kolonie - Ausstellung auf der Ma-
thilden-Höhe ist in der Erfüllung dieser

HAUS CHRISTIANSEN.

Nord-Ansicht. Rechts das grosse Fenster der Halle.

Hoffnungen die erste Etappe. Und Christian-
sen, als der Erstberufene, hat hier auch an
erster Stelle, dem Mittelpunkt der Kolonie
zunächst, sein Haus aufgerichtet. Er that
es nicht nur an erster Stelle, er hat sich
auch zuerst, vor allen anderen, dazu ent-
schlossen, ein Umstand, der mir als nicht
unwichtig zu betonen scheint.

Indem ich nun von diesem Hause rede,
will ich zum Voraus bemerken, dass die
Architektur desselben, als eine Schöpfung
Olbrichs, nur gelegentlich gestreift, und ein-
gehend nur von dem die Rede sein soll,
was an dem Hause ganz direkt Christiansen's
Werk und der unmittelbare Ausdruck seiner
Persönlichkeit ist. Dass das Problem der
Farbigkeit uns dabei in hohem Maasse be-
schäftigen wird, steht, nach allem bereits
gesagten, zu erwarten.
 
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