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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Darmstadt - die "werdende Kunst-Stadt"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0081
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Isarius: Darmstadt, die -»werdende Kunst-Stadl«..

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müsse, wenn nicht schleu-
nigst die bisher maass-
gebende »Klique« ent-
thront würde — und an
ihre Stelle eine andere
träte, die sich der Be-
treffende im stillen Sinne
denkt und Interessenten
auf Wunsch näher zu be-
zeichnen jeder Zeit gern
erbötig ist. — Gewiss ist
jedenfalls, dass Münchens
»Kunst - Leben« seit den
aufregenden Tagen des
Kampfes um »die Mo-
derne« , als die Sezession
ihr Banner auf den Wällen
am Englischen Garten auf-
zupflanzen sich erkühnte
und heldenhaft verteidigte,
bedenklich an Lebendig-
keit eingebüsst hat. Wer
damals mit dabei war, wer
an seinem Teile mitge-
kämpft und wer dann die
ersten Lorbeeren des Sieges
der neuen Kunst-Weise
mitgepflückt hat, nur der
wird das beurteilen können,
nur der wird verstehen,
warum man jetzt von einem
»Niedergange« redet oder
doch flüstert. Es war wirklich anders da-
mals, und selbst der akute Ausbruch des
neuen Stiles in den Gewerbe-Künsten, der
s'ch zum tiefen Ärger und Abscheu der
ortseingesessenen Ober-Priester der biederen
»altdeutschen« Renaissance in München
anno 1896 und 1897 zuerst zeigte, hat das
Blut nicht so sehr in Wallung versetzt, als
dermaleinst der heilige Krieg um die Se-
zession. Damals hiess es: Sieg oder ehren-
voller Untergang, d. h. Auszug in schönere
Gefilde! Diesmal ging es ähnlich wie bei
den lustigen »chinesischen Wirren«: der
Feind wich aus, halb duldend, halb drohend,
er gab Terrain frei und es kam nie so recht
zum Treffen; auf der einen Seite fehlte die
alte hartnäckige, bissige Widerstands-Kraft,
auf der anderen Seite die Schneid, mit der

HAUS CHRISTIANSEN.

Flur mit Entree.

einst die Sezessionisten gefochten hatten. Die
Einen, die »alten Herren«, waren inzwischen
wohl etwas zu alt geworden, sie waren nach-
gerade ein wenig mürbe und wenn sie auch
sauertöpfisch genug darein sahen, so Hessen
sie halt doch in Gottes Namen geschehen, was
nun einmal absolut nicht zu vermeiden war.
Die Jungen aber entdeckten das Deutsch-
land »extra muros« der heiligen Monachia,
das grosse, schöne Deutsche Reich da
draussen, wo es so viele verständige und
zugleich reiche Leute gab, wo inzwischen
da und dort eine seltsame Jugend heran-
gewachsen war, die zwar weniger Bier trank
und Radi ass, die sich aber enorm aufnahme-
fähig erwiess für das, was die jungen Re-
former wollten. Schon darum musste es
ihnen weniger darauf ankommen, gerade nur

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