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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Ebe, Gustav: Versuche in moderner Bau-Ornamentik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0285
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Gustav Ebe: Versuche in moderner Bau-Ornamentik.

CARL MAX REBEL—BERLIN.

malerischen Schatten-Wirkung zur Belebung
der starren Architektur - Linien die kräftig
herausgetriebenen Bossen hervor, welchen
dann das Blatt nur noch zur leichten Um-
hüllung diente, und welche dann endlich den
Karakter des pflanzlichen Ursprungs der
Verzierung fast ganz verwischten. — Die
nordische Renaissance ergab sich mindestens
im Schmuck der neutralen Flächen einem
ungezügelten Naturalismus, während sich
die italienische Renaissance in diesem Punkte
mässiger verhielt, und allenfalls im Anschlüsse
an die Antike bogenförmig geschlungene
Gehänge von Blumen und Früchten, die
sogenannten Festons, mit Vorliebe anordnete.
Eine Form der nordischen Renaissance,
namentlich in der von den Niederlanden
ausgehenden Auffassung, fand einen Ersatz
für die verloren gegangene architektonische
Strenge in der Verknüpfung des Pflanzen-
Ornaments mit scharf geschnittenen, an
Metall-Bleche erinnernden, durchsteckten und
an den Ecken aufgerollten Rahm-Teilen,
in dem sogenannten Beschläge - Ornament.
In Verfolg derselben Richtung entstand die
Kartusche als neue Rahm-Form, anfangs

»In Sehnsucht*.

mehr den harten Holz-Formen ensprechend,
später, im Barock-Stil, von vornherein Leder-
Karakter annehmend. Schliesslich erfand
das Rokoko den selbständigen, keinen Tnhalt
umschliessenden Rahmen und schmückte
denselben mit schilfartig langgezogenem
Akanthus-Blattwerk, Muscheln und tropfstein-
artigen Gebilden, aber auch mit Blumen und
Blättern, die bei aller Naturtreue doch immer
noch einen gewissen Grad von Stilisierung
zeigen. Der ausgeprägte Naturalismus tritt
erst im Stil Ludwigs XVI. auf, allerdings nur
in der Flächen-Dekoration der Innen-Räume.

Aus den obigen kurzen Andeutungen
lassen sich immerhin einige wichtige, das
Verhältnis der künstlerischen Darstellung zur
Natur - Nachahmung betreffende Schlüsse
ziehen. Ersichtlich will die Kunst der besten
Perioden den Anschein der Natur-Wirklichkeit,
die sie ja doch, wie schon oben gesagt, in
ihrer Feinheit und Ausführlichkeit niemals
erreichen könnte, absichtlich vermeiden, und
setzt an Stelle derselben den Ausdruck einer
Idee. Ein treffendes Beispiel für dieses Be-
streben gibt der Gegensatz einer zum Kunst-
Werk erhobenen Erz- oder Marmor-Statue
 
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