Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

DOI article:
Fuchs, Georg: Das "Bunte Theater" von August Endell
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0301
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
288

Georg Fuchs—Darmstadt:

AUGUST ENDELL—BERLIN: »BUNTES THEATER«

Gestühl aus dem Foyer des I. Ranges.

Schilderung des Wortes ebenso völlig wie
die Wiedergabe durch die Photographie.

Durch welche ästhetischen Mittel Endell
jedoch diese in unserer Vorstellung mit den
banalsten, ekelhaftesten Talmi-Dekorationen
fast untrennbar verbundenen Dinge zu Aus-
drucks-Formen eines, wenn auch gewiss
bizarren, so doch eigenen und entschiedenen
geistigen Lebens gewonnen hat, das ist wohl
auch einer kurzen Betrachtung wert, wenn-
gleich die in diesem Hefte enthaltenen
eigenen Ausführungen Endell's uns eines
breiteren Ergehens über seine künstlerischen
Grundsätze entheben. — Endell hat hier vor
allem jenem als spezifisch modern gerühmten
Streben nach äusserster »Einfachheit« nicht
dadurch entsprochen, dass er mit wenigem,
sparsamem Gute an's Werk ging, sondern
durch eine mit nerviger Faust bewältigte
Entfaltung eines ganz aussergewöhnlichen
Reichtumes von Motiven. Diese wuchtige,
zielsichere Beherrschung einer dem ersten

Blick fast betäubend erscheinende Mannig-
faltigkeit an Linien — und obendrein stark
ausdrucksvollen Linien — und bizarren
Farben, dieser in einer nahezu selbst-
verständlich, notwendig wirkenden Einheit
sich versöhnende »Dualismus« von scheinbar
übermütig losgebundener Fantastik und ruhig,
streng-vernünftig ordnender, gemessener Kraft
findet auch in der Seele des Betrachtenden
den Weg zur Synthese und zieht befehls-
haberisch auch den Nichtverstehenden in
seinen Bann. Für den feiner Nachspürenden
eröffnet sich aber ein erhöhter Genuss fast
dramatischer Art, indem er sich zunächst
einem Chaos unerhörter Dinge, niegesehener
Farben und nie zuvor geschlungener Linien
gegenüber sieht, das sich plötzlich, sobald
der den Künstler leitende Gedanke licht-
erströmend auch im Beschauer die Schwelle
des Bewusstseins überschritt, zu einer höchst
vernünftigen, wohl balanzierten, wenn auch
vielleicht fremdartigen Welt in einander
 
Annotationen