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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Widmer, Karl: Das Problem des Denkmals
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0200

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DAS PROBLEM DES DENKMALS.

Unter den Gründen, die an dem künstle-
rischen Zerfall der Denkmalskunst im neun-
zehnten Jahrhundert schuld sind, ist die Denk-
malssucht unserer Zeit sicherlich einer der
wichtigsten. In früheren Jahrhunderten war die
Errichtung eines öffentlichen Standbildes eine
außerordentliche Kulturaufgabe, die schon ihrer
Seltenheit wegen den Händen berufener Künst-
ler vorbehalten blieb. Heute vergeht kaum ein
Tag, an dem nicht irgendwo ein Sockel mit
einer Statue oder einer Büste enthüllt wird.
Die Kunst ist damit vor eine Art Massenpro-
duktion gestellt worden. Kein Wunder, daß
durch diese Profanierung ihrer Aufgabe auch
die künstlerische Qualität gesunken ist. Eine
Verjüngung der Denkmalskunst müßte deshalb
vor allem damit einsetzen, daß dem Denkmal
wieder jener Charakter des Außerordentlichen
gegeben wird. Mit andern Worten : die Trivia-
lität, die der eigentliche Grundzug unseres mo-
dernen Denkmalswesens ist, könnte nur durch
eine Beschränkung der überreichen Denk-
malsproduktion selbst bekämpft werden.

Nun läßt sich aber das Bedürfnis, dem diese
Tausende und Abertausende künstlerisch wert-
loser Standbilder in unserer Zeit das Dasein
verdanken, auch nicht ohne weiteres aus der
Welt schaffen. Auch dieserDenkmalssucht liegt
ein zwar entartetes, aber an sich berechtigtes
Kulturbedürfnis zu Grunde. Es ist nur die
Form, in der es sich betätigt, wodurch es für
die Kunst entwertet worden ist. Andere Zeiten
haben hier eine viel reichere, für das Kunst-
leben fruchtbarere Tradition der künstlerischen
Aufgaben gehabt. Daß diese Tradition abge-
storben ist, bevor sich für die Kunst eine neue
Quelle solcher Aufgaben aufschließen konnte,
ist eben die Ursache des Übels.

Das Mittelalter hat die moderne Form des
Denkmal-Standbildes überhaupt nicht gekannt.
Wie alles, was jene Zeit an öffentlicher Kunst
hervorgebracht hat, stand auch die Aufgabe,
die heute der Denkmalskunst zufällt, im un-
mittelbaren Dienst der Religion : dem Andenken
großer Taten und denkwürdiger Ereignisse er-
richtete man keine Standbilder, sondern stiftete

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