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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Ulmer, Karl: Die Kunst nach dem Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0107

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DIE KUNST NACH DEM KRIEGE.

Die Lebensbedingungen, die Vorstellungen
der Menschen und die Sitten sind dem
ständigen Wechsel unterworfen. Die Folge ist,
daß die Erneuerung der erwähnten Bedingungen,
gleichzeitig mit der Veränderung der Seele,
eine Erneuerung der Kunst nach sich ziehen
muß. So wird unser Dasein eine neue Daseins-
sphäre hervorbringen, genau wie diejenige es
tat, die der unseren vorherging. Die neue Da-
seinssphäre aber wird einen neuen Geistes-
zustand hervorrufen, denn die Begabung und
der Geschmack ändern sich in derselben Zeit
und demselben Sinne, wie die Gebräuche und
Empfindungen der Masse. Durch den neuen
Geisteszustand werden aber die neuen Werke
erzeugt; so wird die große Umwandlung, die
wir jetzt durchmachen, ihre eigenen idealen
Vorbilder mit sich bringen.

Die sich auf diese Weise entwickelnde Lage
wird bestimmte Gefühle und besondere Fähig-
keiten verkörpern, wie z. B. im Mittelalter ver-
zärtelte Empfindsamkeit und überreizte Ein-
bildung vorherrschend waren, so wird die Zeit,
die vor dem Kriege mehr von dem kleinlichen
Ehrgeiz und den ungestillten Wünschen be-
herrscht war, von Tatkraft und klarem Bewußt-
sein des zielstrebenden Willens abgelöst werden.

Vor dem Kriege überanstrengte sich jeder
für die Bequemlichkeiten des eigenen Lebens.
Die Lebensweise mit ihren Bedürfnissen hatte
sich ins Ungeheuere gesteigert. Tausend Sa-
chen gab es, die unentbehrlich erschienen, wie
die kostbarsten Einrichtungen und die teuer-
sten Gewohnheiten. Da aber alles durch Arbeit
mühselig verdient werden muß, so wurde der
größte Teil des Lebens in Arbeit und Anstren-
gung für die Bequemlichkeit des teueren Ichs
verbracht. Der heftigste Wettkampf verdop-
pelte die Geschäftigkeit, überreizte und über-
anstrengte, und die Folge für die Kunst war,
daß auch sie die Spuren dieser Überreizung mit
sich trug. Dazu kam noch die Abhängigkeit
vom Fremden, die ebenfalls nicht zur Befreiung
der deutschen Seele beitrug, und es ergab sich
ein unbefriedigtes Tasten und Suchen, wie wir
es in den letzten Jahren vor dem Kriege beob-
achten konnten. — Da kam der Augenblick für
unser Volk, in welchem es sich darum handelte,
zwischen einem unfreien, für den einzelnen an
und für sich vielleicht noch vorteilhafteren und
einem heldenhaften Leben zu wählen. W?e
ein feuriger Brand, der um sich frißt und sich
vergrößert, so fanden alle durch die Begeisterung
die Kraft und die Vereinigung, einer Welt von

E. M. ENGERT MÜNCHEN. GESCHNITTENE SILHOUETTE »ZWEI LÖWEN«

'• APrIl 1917. 9
 
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