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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Muthesius, Hermann: Wie wird der Krieg auf die deutsche Baukunst einwirken?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0194

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Wie wird der Krieg auf die deutsche Baukunst eimvirken?

Vorbedingungen. Und gerade daran hat es in
der Zeit des wirtschaftlichen Hochstandes vor
dem Kriege oft gefehlt. Eine gewisse deutsche
Architekturrichtung hatte sich überdies in eine
Auffassung verstiegen, die sich an Kolossalität
nicht genug tun konnte. Warenhäuser, in denen
billige kleine Sachen verkauft wurden, wurden
in das feierliche Gewand eines Sakralbaues
gekleidet, große Hallen sahen aus wie Kata-
kombensäle. Eine Sucht nach dem Über-
monumentalen, Ausschreitungen ins Ungeheuer-
liche, Unförmliche, ja Barbarische konnten nicht
nur anDenkmälern, sondern auch an Gebrauchs-
gebäuden täglich beobachtet werden. Gerade
in solchen Neigungen aber gibt sich das Unreife
einer Zeit zu erkennen.

Von diesem Standpunkte aus braucht uns die
voraussichtliche wirtschaftliche Beschränkung,
unter deren Zeichen die Jahre nach dem Kriege
stehen werden, für die deutsche Baukunst nicht
zu erschrecken, sie kann sogar erzieherisch
wirken. Architektur an sich hängt weder von
kostbaren Baustoffen, noch von reicher Formen-
gebung ab, sie arbeitet mit Verhältnissen. Gute
Verhältnisse sind im einfachsten Gewände eben-
sogut zu erzielen wie im prunkvollen Kleide,

der Putzbau gewährt dieselben Möglichkeiten
wie der Steinbau. Gerade bei beschränkten
Mitteln ist der Architekt gehalten, die ganze
Wirkung in dem eigentlichen Wesen der Archi-
tektur, den guten Verhältnissen zu suchen. So
kann gerade die Beschränkung zu innerer Höher-
entwicklung beitragen, die wahren architek-
tonischen Werte herausarbeiten helfen, eine Ver-
geistigung der Baukunst herbeiführen.

Schon vor dem Kriege ging als Unterströmung
ein Zug nach Veredelung und Vereinfachung
durch die deutsche Architektur, ein Überdruß
gegen das Aufdringliche, Anmaßende, ein Sehnen
nach Aufrichtigkeit und Schlichtheit machte sich
geltend. Diesen Zug zu stärken wird eine zum
Selbstbesinnen zwingende Zeit nach dem Kriege
geeigneter sein, als ein Fortwühlen in Reich-
tümern, Wohlleben und Überfluß. Die Natur
des Deutschen hat sich noch stets am besten
in Gefahr und Bedrängnis bewährt. Wie der
Krieg läuternd, erhebend, erneuernd auf allen
geistigen Gebieten gewirkt hat, so werden seine
Folgen auch die Schlacken aus der deutschen
Architektur ausstoßen, die ihr aus ungeklärten
Zeiten noch anhaften, (aus : zeit- u. Streitfragen

des bundes deutscher gelehrter und künstler.)

ARCHITEKT DAGOBERT PECHE WIEN. »GESCHAHTS-EMPFEHLUNGS-KARTE«
 
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