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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Mojsisovics, Edgar von: Gino Parin, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0197

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architekt eduard wimmer. »druckstoff« wiener werkstätte.

GINO PARIN-MÜNCHEN.

Die Ölbildnisse des Schweizer Malers Gino
Parin, der seit 1894 in München säßig
ist, sind komplex im höchsten Sinne, durchreift
von einer rastlos beobachtenden Erkenntnis
und bergen eine Kraft des Ausdrucks in sich,
deren man sich am stärksten beim Anblick eines
der wundervollen Frauenbildnisse bewußt wird.
Dieser Ausdruck ist nicht ein einfacher; es ist
Schmerz und Ermüdung und Hingebung, Spott
und Verzweiflung und Lust, die bald in dem
mahnend ernsten Blicke, der in unerforschliche
Tiefen hineinleuchtenden Augen, bald an kraft-
los einsinkenden Wangen, spöttisch und leidvoll
gezogenen Lippen aufleben. Dieser vielgestal-
tige Ausdruck ist über das Ganze gegossen,
er durchwirkt das Ganze, bewegt und belebt
das Ganze und sieht uns als Ganzes erschütternd
an. Es strömt eine suggestive Wirkung von
diesen Frauenköpfen, eine Wirkung in die Breite
und in die Tiefe. — Des Künstlers wundersame
Zeichnungen sagen dem Fachmann nicht weniger
als des Malers vollendete Gemälde. Auf etwa
100 Blättern hat der Künstler sein Modell in
seltenen, oft sehr eigenartigen Stellungen und
Bewegungen festgehalten. Es ist wunderbar
zu sehen, mit welch einfachen Mitteln kom-
plizierteste Haltungen, verschrobenste Gebär-

den, bald die zusammengeraffte Kraft, bald die
erschlaffende Müdigkeit als Ausdruck einer
Seelenbewegung oder eines Seelenzustandes
dargestellt werden. Diese zeichnerischen Apho-
rismen enthalten alles Wesentliche an Form,
Haltung und Ausdruck, nichts vermißt man.
Und der Ausdruck dominiert. Er beherrscht
die Linie und führt sie, er durchzittert die
Falten des Gewandes, er verwirrt wallendes
Haar, er durchkrampft die Hände, er beruhigt
den müde liegenden Körper. Und welch
wundervolle Arabesken bieten die in Gewand-
falten und Körperbiegungen eingezeichneten
fein geschlungenen und gewundenen Linien!
(Man vergleiche die Wiedergabe Seite 136).

Bei Parin denkt man an Rodin: an das Alles
in sich Aufnehmen, alles Wiedergeben, aus
tausend Augenblicken Zusammentragen, nicht
an einem Tage, in einer Stunde, sondern jahre-
lang, lebenslang, sein Werk immer vor sich
haben, es nie verbessernd, aber unermüdlich
Neues, dem Leben Abgewonnenes hinzutragend.

Parins Kunst kennt Ziele, aber kein Ende.
Sie ist rastlose Arbeit und wird letzte Erfüllung.
Ein Künstler, der sich nie befriedigt zur Ruhe
setzen wird, der ein Meister ist, weil er nie
zu lernen aufhört. . . . dr. edgar von mojsisovics.
 
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