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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Heckel, Karl: Schöpferische Kritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0230

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PROFESSOR GUSTAV SCHÖNLEBER t

GEMÄLDE »D1XMUTDEN« 1914.

SCHÖPFERISCHE KRITIK.

Hans Thoma — ich verdanke meinen Be-
suchen in seinem Atelier wertvolle Be-
merkungen persönlicher Art über das künst-
lerische Schaffen, die mir intime Einsichten
erschlossen — hat einmal gesagt: die Kunst hat
Freunde nötig, Kritiker hat sie genug.

Ähnlich denkt wohl jeder Künstler. So wert-
voll ihm unter Umständen die kritische Bemer-
kung eines Kollegen, oder das feinsinnige Urteil
eines Kenners sein mag, so abwehrend steht
er nicht nur dem Kunstgerede Unberufener
gegenüber, sondern auch der Kunstbetrachtung,
die verschiedenartige Werke gegeneinander aus-
spielt, oder starre Regeln formuliert.

Was der schaffende Künstler bedarf, ist
Wiederhall. Der ist nicht immer identisch mit
Beifall und Erfolg. Denn diese können sich
Nebendingen verdanken, oder gar auf Mißver-
ständnissen beruhen. Anders der Wiederhall.
Auch wenn er zunächst nur vereinzelt zum Aus-

druck kommt. Er bezeugt dem Künstler, daß
die Vorstellung, die in ihm lebte, in der Dar-
stellung so zum Ausdruck kam, daß sie dem
Beschauer zum Gefühlsverständnis gelangt. Lob
undTadel, auch wo sie belehrend wirken, kommt
daneben nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

Produktive Naturen sind im allgemeinen frei
von Tadelsucht. Zufällig lese ich zwei Aus-
sprüche von Goethe: „Wo ich nicht loben
kann, da schweige ich." Und „Es ist unbedingt
ein Zeichen von Wahrheitsliebe, überall in der
Welt das Gute zu sehen." Das gilt vor allem
von lebensfürchtigen und verehrungerfüllten
Menschen wie Goethe. Freilich geht es nicht
an, sie ohne weiteres vom Kritiker zu fordern.
Auch Kritik ist etwas positives. Sie ist Freude
am Erkennen und Freude am Urteilen. Urteilen
aber istWertabschätzung. Und Wertabschätzung
führt zur Errichtung und Wahrung der Rang-
ordnung, die dem Niederen im Verhältnis zum
 
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