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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Zoff, Otto: Vom Symbol in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0292

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EMANUEL HEGENBARTH DRESDEN.

GEMÄLDE »SANDEUHRWEKK«

VOM SYMBOL IN DER KUNST.

VON OTTO ZOFF.

Wieder wird von einer jüngeren Gereration
das Symbol in der Kunst gesucht. De-
mütig neigt man sich vor ihm, wenn ältere und
vergangene Menschheitsepochen es unvergäng-
lich aufweisen. Und man behauptet mit Vorliebe,
daß es erst mit dem Einbruch der realistischen
Zeit verloren gegangen sei. In Wahrheit aber
ist es seit Jahrhunderten verloren. Denn die
realistische (und später die naturalistische) Zeit-
epoche ist kein Stil für sich, der Weltanschau-
liches hätte umstürzen können: vielmehr ist sie
nur Fortsetzung und (vielleicht) Abschluß einer
jahrhundertealten Menschheitsentwicklung. Sie
ist Glied einer einzigen und wahrhaftig un-
unterbrochenen Kette, die nicht mit der Schule
von Fontainebleau, sondern fünfhundert Jahre
früher — mit Masaccio und Jan van Eyck —
ihren Anfang nimmt. Damals schon brach
dieses Zeitalter an, das anstatt einer einheitlich
-festgelegten Weltanschauung eine individuelle
freie Welterforschung setzte. Damals schon
hörte das Christentum auf, die allgemeine
Idee der Menschheit zu sein: Naturwissen-
schaft (im weitesten Sinn gefaßt) trat an seine
Stelle. Damals schon war es, daß die Dar-
stellung des Körpers, der Materie, der Be-

wegung und der athmosphärischen Erschei-
nungen für die Darstellung des gläubigen Gefühls
gesetzt wurde. Und damals wurde das Symbol
(als Sichtbares und Darstellbares für ein Un-
sichtbares und Undarstellbares) überflüssig:
denn das Unsichtbare und Undarstellbare hatte
aufgehört, die Menschheit zu interessieren.

Seitdem ist die Kunst nicht mehr von der
Betrachtung jenes Lebens losgekommen, das
sich mit den Sinnen erfassen läßt. Von diesem
hat sie Anstoß, Kraft und Vollendunggenommen:
das scharfe Auge ist ihr wichtigstes Werkzeug.
Seit Masaccio, der als der erste bedeutende
Naturalist nach der Antike gelten muß, ist sie
— so unwahrscheinlich es auch klingt — von
einem einzigen Stil bestimmt gewesen. Was
aber nicht heißen soll: von einer einzigen Rich-
tung. Oder um es anders auszudrücken: in
ihrem eindeutigen Stil hat sie (beinahe von
Generation zu Generation) — stets zwischen
zwei Richtungen gewechselt: vom Naturalimus
zum Idealismus, und wieder vom Idealismus
zum Naturalismus zurück; aber — und hierauf
kommt es an — niemals mehr zum Symbolis-
mus. Jene sind (ihrem tiefsten Wesen nach)
ein Stil nur. Stellt der eine Sichtbares dar,
 
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