Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI article:
Zoff, Otto: Vom Symbol in der Kunst
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0300

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Vom Symbol in der Kunst.

M. E. PHILIPP-
DRESDEN
» STILLEBEN «

bestimmter Baum soll dargestellt, sondern meine
Vorstellung vom Baume an sich soll festgelegt
werden; und die ist: groß.

Man kann wohl sagen, daß der symbolisie-
rende Stil das eigentliche Urelement aller bild-
nerischen Darstellung ist. Denn die primitive
Seele findet sich lange schon vor der Natur-
erforschung die Naturanschauung. Sie sieht mit
dem Gefühl. Und so ist es mehr als selbst-
verständlich, daß die symbolische Kunst gerade
in jenen Zeitaltern verschwindet, welche die
Zivilisation zur Herrschaft kommen lassen.
Zivilisation als Sieg der Vernunft über primäre
Zustände, das heißt so viel wie: Sieg der Ver-
nunft über den einheitlich hingenommenen
Glauben. Im selben Augenblick, als die deutsche
Nation aus dem gotischen Dogmatismus erwacht
und infolge des Einbruchs des italienischen
Humanismus der empirischen Erkenntnis zu-
geführt wird — also zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts — im selben Augenblick wird auch
der großen Symbolik des mittelalterlichen Jahr-
hunderts das Grab gegraben. In Albrecht Dürer,

der an der Schneide der beiden Zeitaller steht,
klafft der unüberbrückbare Widerspruch: das
Studium der Perspektive steht der dogmatischen
Bilderbuchunwirklichkeit seiner Holzschnitte
ebenso entgegen, wie der lateinische Faltenwurf
der vier Evangelisten ihrem germanischen Augen-
aufschlag. Denn dieser Kontrast Venedig-Nürn-
berg, in seinem ganzen Werk, von Blatt zu Blatt,
nachweisbar, bedeutet mehr als ein Kontrast
zweier Nationen, ja, mehr als der Kontrast
zweier Kulturen: er ist ein Abgrund, der sich
zwischen zwei Zeitaltern der Menschheit, zwi-
schen zwei Epochen der Geschichte aufbaut. In
ihmzerbrichtfürJahrhundertedasheiligeSymbol.

Wenn heute wieder das Symbol gesucht wird,
so ist das erst in mittelbarer Linie eine Frage
der Kunst: unmittelbar stellt sich mächtig die
Frage nach jenem Kosmos selbst auf, den wir
uns in unsrer Seele bilden. Denn nicht ist dieser
Satz verrückbar, daß ich sehe, wie ich fühle.
Die Frage um unsere Kunst ist vor allem, und
daher auch dringlicher, eine Frage um unsre
Weltanschauung. Jetzt ist noch alles ungeklärt
 
Annotationen