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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Lachmann, Ismar: Karl Strathmann, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0313

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KARL STRATHMANN-MÜNCHEN.

VON ISMAR LACHMANN—BERLIN.

Die Fünfziger haben nach guter neuer Sitte
ein Recht auf Beachtung: Karl Strath-
mann hat in der Berliner Sezession fünf Jahr-
zehnte Lebensarbeit vorgelegt. Das gibt Anlaß,
diesem eigenwilligen Schönheitssucher näher-
zukommen. Man möchte ihn einordnen und
ihm pflichtgemäß sein Etikett aufdrücken. Aber
die Formel für diesen Fall ist unzureichend.
Farbenpoet? Stilromantiker? Alt oder neu?
Im- oder Expressionist? Die Begriffe sind nicht
erschöpfend. Der Sonderling achtet nicht Übung
und Regel. Sein Weg läuft außerhalb des Ge-
wohnten. Wer dichtet heut Märchen auf Bilder-
tafeln? Wer macht Ornamente aus Blumen und
nimmt sich Geduld für mühsame Mosaikstriche-
lei? Strathmanns Merkmal ist das Anderssein.
Er sucht das Abseitige. Nicht aus Hang am Ori-
ginellen. Ihn treibt der Zwang innerer Bestim-
mung in fremde Reiche. Dieses Subjektive
macht die Größe seiner Kunst. Er ist, was
heute selten geworden ist: eine Persönlichkeit.
Wie man auch zu ihm stehen mag — man muß
den Mann hochschätzen, der sich selber so zäh

XX. August 1917. 4

die Treue hielt. Es heißt schon Charakter, gegen
den Strom zu schwimmen. Einsam zu bleiben
im Kreis der Mitstrebenden. Strathmann fühlte
sein Sondertalent und ließ sich nicht irre machen.

Allem Heutigen war er im Tiefsten fremd.
Seine Beziehungen führten zurück zu den Alten.
Für ihn gab es keine Bewegungskunst. Alle
Welt malte den fliehenden Augenblick, haschte
den Blitzpunkt aus dem Filmband der Sicht-
barkeiten. Er blieb der Maler des Seins und
der unbeweglichen Ruhe. Nur was feststand,
war seinem Pinsel genehm. Farbengesetze wur-
den als Schlachtruf verkündet. Er fragte nie
nach dem Malerischen. Sein Antrieb war nur
der zeichnerisch faßbare Gedanke. Nur die
Form bot ihm Anreiz und Glück. Die Linie war
seine Herrscherin. Dieses dekorative Gestalten
hat manchen Berührungspunkt mit der neuesten
Kunst. Es zieht seine Grundlagen aus der Natur
und will nur schmückende Arbeit sein. Aber
es ist doch im Charakter ganz gegensätzlich.
Dort gesammelte Ruhe, große monumentale
Form, hier flimmernde Kleinarbeit und novel-
 
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