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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Westheim, Paul: Vom Geruhig Schönen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0332

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Vom geruhig Schönen.

Stoffen ist, werden teilhaben an dieser inneren
Ergriffenheit, mit der alles geruhig Schöne
aufgenommen werden wird. Sie vielleicht ganz
besonders, weil in den Spitzen , den Sticke-
reien und Häkeleien sich am allerstärksten
die Zartheit des Empfindens auszuwirken ver-
mag, die gesucht sein wird.

Es ist gewiß kein Zufall, daß dieses Frauen-
handwerk in rauhen und allerrauhesten Zeiten
zu so kostbaren Blüten zu kommen pflegte.
Man braucht nur zu erinnern an all das, was
in den Tagen der Kreuzfahrer in jenen Zeiten,
da das Rittertum in blutigsten Händeln sich
zerfleischte, aus den stillen KemenateD, ewig
berückend, hervorgegangen ist. Aus dem Eiser-
nen der Zeit war es ein Flüchten in die Schön-
heit des edel Geformten, in bestrickende Spiele
der Phantasie. Auch das war nur möglich, weil
eine große Empfänglichkeit der Herzen da war,
weil über den Untergrund des Technischen hin-
aus Empfindung Form werden wollte.

Wo aber wäre solche Empfindung mehr ge-
braucht als bei den textilen Frauenkünsten?

Da, wo ohne solches Fühlen gestichelt wird,
kann das Ergebnis nichts anderes denn Stichelei
sein. Solch Handwerk, das nur Mache der
Hände ist, läßt unfroh. Aber bei der Selbster-
ziehung, die an den Textilkünsten zu beobachten
ist, scheint diese Gefahr der Veräußerlichung
kaum vorhanden. Im Gegenteil. War die Ent-
wicklung, deren Zeugen wir in den letzten Jahren
gewesen, nicht gerade hartnäckiger Kampf gegen
eine frühere Veräußerlichung des Nadelwerks,
wie es oberflächlich genug betrieben worden
war? Es will doch scheinen, als ob immer
deutlicher ein Neuaufblühen dieser tex-
tilen Künste erkennbar würde, als ob die
mannigfachsten Trieoe ansetzten, als ob da
Wille wäre, der mit aller Gewalt nach Aus-
wirkung strebte. Und das allseitige Stre-
ben nach einem neuen Formengehalt,
das Begehren, sich auf andere, auf stär-
kere Weise auszudrücken, als es vor-
dem der Fall gewesen, ist das alles nicht
Anzeichen genug für ein neues Leben, das
irgendwie an den Tag will ?!.........p w.

puppe von leonie lehfeld. kriegshilfe-werkstätten des luftfahrerdank— berlin.
 
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