Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI Artikel:
Prellwitz, K.: Die "Schlichte Einfalt"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0337

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tik war aus diesem Banausentum der künst-
lerisch Unwissenden herausgewachsen. Sein
Kampf gegen Boucher, gegen Watteau und
Fragonard vor allem, seine Agitation für einen
verlogenen Erfolghascher wie Greuze hatte da
ihren Ursprung. Bei den Meistern der galanten
Zeit, Meistern, deren Kunst noch heute wie
Champagnerperlen prickelt, sah er nichts von
der graziösen Formgebung, nichts von dem
delikaten Kolorit, das Malereien wie die des
göttlichen Frago so über alle Maßen erlesen
macht. Vor einem Boucher, der ja zweifellos
einen Stich ins Routinierte sehr oft nicht zu
unterdrücken vermag, der aber doch von so
sensiblen Naturen wie den Goncourts als der
französischste der französischen Künstler emp-
funden wurde, ahnt er nichts von den großen
dekorativen Harmonien, in denen seine Bilder
doch schweben. Es ist so, als ob er gegen das
Malerische an diesen Malereien völlig blind
wäre. Wie der Unzüchtigkeit fahnende Staats-
anwalt in der „Helene Fourment" des Rubens
nur „eine mit einem Mantel dürftig bekleidete
Frauensperson, die mit dem gekrümmt gehal-
tenen rechten Arm die Brüste nach oben zu-
sammenpreßt" zu sehen vermag, so sieht er an
dieser Kunst der galanten Zeit nichts als den
Stoff, als die unverblümte und ungenierte Dar-

stellung einer Alkovensituation, als den für seine
bürgerlichen Begriffe unerhörten Cynismus, mit
dem da das erotische Sein einer in der Tat sehr
ausgelassenen Gesellschaft verklärt wird. Der
Bourgeois in ihm empört sich. Im Namen der
Kunst meint er aufbegehren zu müssen gegen
Talent von der Art, und in Wirklichkeit ist es
der entsetzte Hausvater, der um den Anstand
besorgte Bürger, der aus moralischen Gründen
sich entrüstet. Auch bei dem Greuze, bei dem
er sich erholt von jenen schweißtreibenden Fri-
volitäten, sieht er nichts von der Malerei, ich
meine von der schlechten, geist- und kunstlos
hingepinselten Malerei. Sie verletzt ihn ob
ihrer Kläglichkeit nicht. Er scheint völlig un-
empfindlich gegen die rohe Mache in diesen
Bildern, möglich auch, daß ihm eine Ahnung
wenigstens von ihrem ästhetischen Unwert däm-
mert, was ihn jedoch nicht gehindert hätte, sich
an der moralischen Pointe ihres Inhaltes zu er-
götzen. Was er da erlebt, ist nicht Schönheit
von dem malerischen Reiz eines Veronese, eines
Velasquez oder Hals, vielmehr ist es eine mora-
lische Epistel über den Wert und den Nutzen
der bürgerlichen Tugend, die einzuhalten dem
Menschen ziemt und frommt. Was Diderot an
diesem Greuze schätzt und was ihn in Lobes-
hymnen sich fast die Stimme überschlagen
 
Annotationen