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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Reichs-Graphik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0340

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WE E IL-

MALER OTTO
BAUM BERGER
-ZÜRICH.

1. PREIS IM WETTBEWERB UM EINEN ENTWURF FÜR EINE SCHWEIZERISCHE F'Ri EDENSMARKE.

REICHS-GRAPHIK. Professor Dr. Gustav
Pazaurek unterzog letzthin im Berliner
Tageblatt die Drucksachen der Reichsanleihe
einer kritischen Betrachtung. Einige Sätze
seiner Ausführungen seien hier wiedergegeben:
Die banale Germaniafigurin der Renaissance-
Nische mit dem krönenden Reichsadler, den
Balustern und Festons in der breiten, linken
Zierleiste können wir uns zur Not auf einem
Diplom oder auf einer Einladungskarte zu Ende
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
denken; in unseren Tagen ist sie ein schreien-
der Anachronismus. Ist es nun wirklich not-
wendig, daß gerade bei den wichtigsten offi-
ziellen Aufgaben die künstlerische Potenz so
gänzlich versagt? Daß, von all den vielen genia-
len Persönlichkeiten unserer großen Reichsbank,
mit dem berühmten Generalfeldmarschall an
der Spitze, auch nicht eine einzige so viel Ein-
fluß besitzt, um die für künstlerische Angelegen-
heiten weniger empfänglichen Kollegen davon
zu überzeugen, wie wenig ehrenvoll es ist, die
ästhetischen Gesichtspunkte gänzlich auszu-
schalten und unser gewaltiges Reich, das eben
einer ganzen Welt ungebeugt gegenübersteht,
selbst vor den entlegensten südamerikanischen
Staaten künstlerisch bloßzustellen? — Daß es
uns an entwerfenden Künstlern fehlen könnte,
wird trotz der Lücken, die der Tod auf dem
Schlachtfelde bereits in diesen Reihen gerissen
hat, gewiß niemand behaupten können. Eine
Geldfrage ist es gewiß auch nicht, denn die paar
hundert Mark, die so ein Entwurf selbst von
einem unserer führenden Künstler kostete,
spielen gar keine Rolle; aber auch der Einwand,
es mangle hierfür an Zeit, ist gewiß nicht stich-
haltig, da sich unsere Zeichner im Notfalle eben

auch beeilen könnten und dies gewiß gern täten.
Es bleibt somit nur der einzige Erklärungsgrund
übrig, daß man eben bei Wertpapieren aller
Art noch so gut wie nie daran gedacht hat,
ihnen auch ein zeitgenössisches und künstleri-
sches Gewand zu geben. Dies kann man nun
mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deut-
lichkeit und zugleich mit einer bangen Betrüb-
nis in einer Ausstellung überblicken, die im
Stuttgarter königlichen Landesgewerbemuseum
eröffnet worden ist. Fast ausnahmslos sind
Papiere entstanden, die, so hoch auchihrBörsen-
wert sein mag, künstlerisch nahezu durchweg
als armselig und rückständig bewertet werden
müssen, gleichgültig, ob es sich um Stahlstich,
Lithographie, Kupferdruck oder Buchdruck han-
delt. Der Rand, der das Grundmuster abschließt,
die Kopfleiste, die das eigentliche Bild einpräg-
sam macht, die Anordnung der oft überflüssig
gehäuften Schrift von vorsintflutlichen Typen
bis zum Reliefstempel — alles ist gänzlich ver-
altet, als ob die Gebrauchsgraphik drei Jahr-
zehnte oder noch länger verschlafen hätte.
Neben den abgedroschensten Renaissance-
Formen erscheinen verschiedenartige guillo-
chierte Musterungen von ärmlicher Erfindung
und, wenn es hochgeht, einige unmögliche
Jugendstil - Motive.

Professor Pazaurek verweist zum Schlüsse
seiner Darlegungen auf die künstlerische Sorg-
falt, die man neuerdings in Österreich solchen
Wertpapieren widmet. Auch die österreichischen
Briefmarken sind sehr gelungene Arbeiten,
„die himmelhoch über unserer häßlichen u. trotz
ihrer bereits unbegreiflich langen Lebensdauer
immer noch nicht umzubringenden Reichspost-
marke mit dem Germaniabrustbild stehen." —
 
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