Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI article:
Zeitler, Julius: Neue Lichtbildkunst von Frank Eugen Smith
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0368

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Neue Lichtbildkunst von Frank Eugen Smith.

PROFESSOR FRANK EUGEN SMITH.

BILDNIS-AUFNAHME »GUDRUN B.>

auch für die Photographie die Vergleiche viel
zu sehr aus der Kunst der Malerei hergeholt,
so wichtig auch gerade die malerische Schulung
für den künstlerisch gesinnten Photographen ist,
man hätte weit eher die parallelen Wesenszüge
mit dem Kupferstich, mit dem Holzschnitt und
der Lithographie aufspüren sollen. Diese Be-
messung der Photographie nach der Malkunst,
die ja allerdings eine reine Kunst ist, die in
einem ganz andern Sinne von der technischen
Prozedur unabhängig ist, wie die reproduzie-
renden Künste, mag allerdings daher mit rühren,
daß das Naturvorbild für beide in einem ähn-
lich entscheidenden Sinne als Ausgangspunkt
gegeben zu sein schien. Die Photographie blühte
empor in der Epoche des Naturalismus. Die
Photographie hatte die Aufgabe, die Wirklich-
keit wiederzugeben, man lebte ganz im Bann-
kreis der Wirklichkeitsdarstellung und von einer
Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher und
künstlerischer Photographie war noch keine
Rede. Der Begriff der Naturnachahmung spukte
noch in allen Köpfen. Mit diesem undifferen-
zierten Wirklichkeitsbegriff arbeitete die Pho-

tographie länger als ihr dienlich war, sie be-
gann sich erst von ihm zu lösen, als die Epoche
des künstlerischen Sehens in andern Bereichen
sieghaft zum Durchbruch gelangt war. Wenn
wir aber kein Naturbild so sehen, wie es ist,
sondern so, wie wir es auffassen, wie wir es in
unsern künstlerischen Apparat einordnen, mit
der ganzen künstlerischen Erfahrung und Be-
einflussung, der sich heute kein Mensch mehr
entziehen kann, dann kann auch die Wirklich-
keit als solche, in ihrem allgemeinen unge-
schiedenen Bestand, nicht mehr der Gradmesser
sein, an dem sich die künstlerische Photographie
beurteilen läßt, sondern das Entscheidende
werden eben die wesentlichen, die typischen,
die konstitutiven Züge des Naturvorbilds sein,
denen sie Rechnung zu tragen hat. Die Malerei
kann ein Bild der Welt sein, alle Graphik
aber ist eine weitgediehene Abstraktion, und
mit diesem Reich der Abstraktion muß die
Photographie verglichen werden, wenn man ihr
gerecht werden will, nicht mit dem der Malerei.
Alle Probleme der Ähnlichkeit, der Richtigkeit,
der Wahrheit gewinnen nun von dorther eine

352
 
Annotationen