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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Zeitler, Julius: Neue Lichtbildkunst von Frank Eugen Smith
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0374

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Neue Lichtbildkunst von Frank Eugen Smith.

neue Färbung, eben in dem Sinne, in dem die
künstlerische Photographie zu ihrer Ausbildung
und psychologischen Grundlegung gelangte.

Und so ist es in Smith der Künstler, der für
den Vorgang der Bildwerdung den Grundton
angibt. Er formt die Menschen, die Gestalten,
die Szenen mit seinem eigenen Künstlergeist,
bevor er den Apparat arbeiten läßt, und ein
Kunstprozeß ist es auch, wie er ihn in Wirk-
samkeit bringt und endlich ist auch sein Um-
gehen mit der Platte von reifster künstlerischer
Erkenntnis diktiert. Man muß schon die rassige
Vitalität von Smith haben, seine vollsaftige,
kraftstrotzende Natur, sein sprühendes Tem-
perament, um solche Werke hervorbringen zu
können. Gewiß spielt es entscheidend dabei
mit, daß Smith ursprünglich Maler war, und
daß er von Natur seine malerische Begabung,
deren Bedeutung sich noch ahnen läßt, in die
Photographie mitbrachte, aber noch viel bedeut-
samer erscheint sein außerordentliches, ja un-
erhörtes Einfühlungsvermögen in die Personen
und Gegenstände, oder vielmehr Vorgänge,
denen er Gestalt geben will. Und diese Ein-
fühlung, dieses fabelhafte Sichhineinversenken
in das Modell erfolgt in der Begleitung eines
sicheren Raumgefühls und eines intensiven
Formensinns. Dazu gesellt sich noch, wie Smith
das Licht erlebt, wie sich alle Farbenereignisse
ihm in Lichtflutungen und Lichtabstufungen ver-
wandeln. Dieses Ineinswirken einer hohen for-
malen Kultur, dieses feinsten Sinnes für räum-
liche Verhältnisse, dieser visionären Kraft, den
Rhythmus einer Flächenbelebung und Flächen-
füllung empfinden zu können, mit der Musik
einer souveränen Lichtbehandlung, die nun alle
jene formalen Elemente ihren Zaubern unter-
stellt und einordnet — das ist die auszeich-
nende Begabung, die Smith für seine Schöp-
fungen mitbringt. Und zugleich ist Smith als
Künstler - Photograph ein Psychologe ersten
Ranges. In der seelischen Durchdringung seines
Modells oder eines szenischen Vorgangs ist er
einzig, mit intuitiver Art erfaßt er ihren Cha-
rakter, hüllt er sie in einen geheimnisvollen
künstlerischen Zauber ein, in eine Gesetzmäßig-
keit des Schauens, die ihre Grundrichtung aus
dem Wesentlichen, dem Charakteristischen, dem
Konstituierenden des Objekts selbst empfängt.
Daher sind alle seine Bilder seelisch auch so
ausdrucksreich. Er ist ein Meister der Poesie
der Kamera. Er lebt sich in sein Objekt ein
und unter leisem Tönen wird es zu einem Motiv,
wird es überströmt von geistig-seelischer Einheit,
eine Bezauberung, die Smith in gleicher Weise
Szenen wie Porträts zuteil werden läßt; und so
wird das Werk, das so unter seiner schöpferi-

schen Hand hervorgeht, wahrhaft ein Bild.
— Einen überlegenen Geist, ein sinnlich mit-
empfindendes Temperament, geleitet von einer
souveränen Instinktsicherheit des Geschmacks,
ein musikalisch beschwingtes Können sehen
wir in Smith an der künstlerischen Arbeit.
Darum gibt es von vornherein auf seinen Bil-
dern keine leere oder tote Stelle, alles ist räum-
lich fein und lebensvoll gegliedert, in einer
unendlichen Harmonie ist die Bildfläche zu-
sammengestimmt, und eben weil er schon uran-
fänglichkünstlerisch geformtes und gesehenesLe-
ben gibt, ist Smith auch berechtigt, die Platte mit
Stift, Messer u. Pinselnoch weiter zu bearbeiten,
bis sie eben auf den letzten beabsichtigten Bild-
ausdruck gebracht wird. Der künstlerische Pro-
zeß fordert sogar dieses manuelle Fertigmachen,
in dem so mancher weniger sichere Geschmack
scheitert, gegen das aber hier, da es mit soviel
Feingefühl geschieht, kein Einwand zu erheben
ist. In der Form kennt Smith ganz genau die
Wirksamkeit von Kontrastierungen, die rhyth-
mische Harmonie von Linienzügen, die Aus-
gewogenheiten von Raumwerten; in der Ton-
abstufung, in der Modellierung der Körper be-
herrscht er das Licht, wie ein Kapellmeister
sein Orchester, man kann von einer reichen
Lichtinstrumentation reden, von der seine Bil-
der erfüllt sind. Es ist selbstverständlich, daß
es in diesem Schaffen kein Schema gibt, immer
sieht sich Smith einem neuen Problem gegen-
über, wie es eben durch die individuelle Lage
gefordert wird. In diesem Wechsel der Auf-
gaben ist er erstaunlich mannigfaltig, von der üb-
lichen theatralischen Auffassung bei der photo-
graphischen Aufnahme ist die seine durch eine
Kluft getrennt, von aller Pose sind unter seinem
Blick seine Modelle befreit, ungezwungen und
unverkünstelt geben sie ihre Individualität kund.
Und diese geistige Auffassung ist es, die alles
mit höchster Vornehmheit adelt. Dazu besitzt
Smith eine intime Kenntnis der Kunst des
Hintergrundes, aufs glücklichste zieht er den
Hintergrund mit in die Bildwirkung hinein, er
weiß, wie seine Szene oder sein Objekt von der
abschließenden Ebene sich abzuheben hat, oder
welche Verschmelzung es mit ihr einzugehen
hat. Die Belebung des in der Photographie zu-
meist so toten Grundes bringt erst den Bild-
charakter auf seinen letzten Ausdruck. Ein
flächenhaftes Sehen zeichnet ihn darin aus,
eine Regulierung der Perspektive, wie es eben
die neue Bildanschauung verlangt. Eben damit
wirkt er konzentrierend, die gerade bei der
Photographie so fataleTiefenwirkungbändigend.

Der Lichtpoet in Smith ist es, der uns diese
dichterisch erhöhten und umgedeuteten Bilder
 
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