Psychologie der Kunst.
werk müßte sich steigern, weil wir jedes, selbst
das unscheinbarste, als eine Mensch-
heitstat begrüßen würden, die nicht um
ihrer selbst willen geschah, sondern die ein
Glied darstellt in der endlos goldnen Kette der
göttlichen Kunst, die in ihrem wärmenden,
schimmernden Glänze das Herz der ganzen
großen Menschheit der Jahrtausende erfreuen
soll. Außerdem brächte es den hohen sittlichen
und moralischen Wert mit sich, daß nicht nur
wenige Große durch Einfluß protegiert und
vergöttert würden, während der bescheidene
Künstler, der aber immerhin eine Persönlich-
keit verkörpert, (— denn jeder Künstler ist
eine Persönlichkeit —) nicht beachtet, mit samt
seinen Werken untergeht und verkümmert. In
jedem Kunstwerk lebt ein Stück Seele
des Künstlers. Gerade die vielgestaltige
Ausdrucksmöglichkeit der Kunst, die schon in-
nerhalb der einzelnen Schulen oft ins Auge
fällt, ist besonders reizvoll; sie findet ihre Be-
gründung nicht zum wenigsten in den psycho-
logischen Unterschieden der Künstler.
Die Beschäftigung mit der Kunst bringt im-
mer Genuß, und wenn wir, sie von hoher Warte
aus betrachtend, in ihr innerstes Wesen ein-
dringen, so wird sie uns nicht nur zum not-
wendigen Lebenselement, in dem wir uns selbst
läutern und erwärmen, — wir werden hinter
das Wesen aller Dinge sehen und den unzer-
trennlichen Zusammenhang von Menschheits-
Kultur- und Kunstgeschichte erkennen, p. b.
Ä
Zum Geschmack erziehen, heißt nicht Geschmack
predigen, vom guten Geschmack murren; sondern
ihn zeigen, damit die Seele umringen, ihn von Jugend
auf melodisch und tätlich lehren, oder mit anderen
Worten, in die Kräfte eines Zöglings nicht übereilt,
aber mit sanftem, fortgehenden, nie unterlassnen
Schwünge, Ordnung bringen, der Seele hellen, freien,
lichten Blick, dem Herzen sanft Gefühl des Schönen
und Guten mit Vernunft und Wahl begleitet geben.
Die Seele soll durch alle Kräfte und Kraftanwen-
dungen konson gestimmt werden, wie die Leyer Apollos.
In Empfindungen, Sitten und Handlungen muß nicht
weniger Geschmack herrschen, als in Kenntnissen der
Phantasie oder des Verstandes.........
Endlich da Freiheit und Menschengefühl doch allein
der Himmelsäther ist, in dem alles Schöne und Gute
keimt, ohne den es hin ist und verweset: so lasset
uns mehr nach diesen Quellen des Geschmacks, als
nach ihm selber streben. Er ist doch nichts, als Wahr-
heit und Güte in einer schönen Sinnlichkeit, Ver-
stand und Tugend in einem reinen, der Menschheit
angemessenen Kleide. Je mehr wir also diese auf
die Erde rufen, desto tiefer arbeiten wir an Veran-
lassungen, daß er nie mehr bloße Nachahmung, son-
dern mit Philosophie und Tugend gepaart, ein dauern-
des Organum der Menschheit werde. . . . HERDER.
richard bauroth. »FRIEDENS-plakette«
werk müßte sich steigern, weil wir jedes, selbst
das unscheinbarste, als eine Mensch-
heitstat begrüßen würden, die nicht um
ihrer selbst willen geschah, sondern die ein
Glied darstellt in der endlos goldnen Kette der
göttlichen Kunst, die in ihrem wärmenden,
schimmernden Glänze das Herz der ganzen
großen Menschheit der Jahrtausende erfreuen
soll. Außerdem brächte es den hohen sittlichen
und moralischen Wert mit sich, daß nicht nur
wenige Große durch Einfluß protegiert und
vergöttert würden, während der bescheidene
Künstler, der aber immerhin eine Persönlich-
keit verkörpert, (— denn jeder Künstler ist
eine Persönlichkeit —) nicht beachtet, mit samt
seinen Werken untergeht und verkümmert. In
jedem Kunstwerk lebt ein Stück Seele
des Künstlers. Gerade die vielgestaltige
Ausdrucksmöglichkeit der Kunst, die schon in-
nerhalb der einzelnen Schulen oft ins Auge
fällt, ist besonders reizvoll; sie findet ihre Be-
gründung nicht zum wenigsten in den psycho-
logischen Unterschieden der Künstler.
Die Beschäftigung mit der Kunst bringt im-
mer Genuß, und wenn wir, sie von hoher Warte
aus betrachtend, in ihr innerstes Wesen ein-
dringen, so wird sie uns nicht nur zum not-
wendigen Lebenselement, in dem wir uns selbst
läutern und erwärmen, — wir werden hinter
das Wesen aller Dinge sehen und den unzer-
trennlichen Zusammenhang von Menschheits-
Kultur- und Kunstgeschichte erkennen, p. b.
Ä
Zum Geschmack erziehen, heißt nicht Geschmack
predigen, vom guten Geschmack murren; sondern
ihn zeigen, damit die Seele umringen, ihn von Jugend
auf melodisch und tätlich lehren, oder mit anderen
Worten, in die Kräfte eines Zöglings nicht übereilt,
aber mit sanftem, fortgehenden, nie unterlassnen
Schwünge, Ordnung bringen, der Seele hellen, freien,
lichten Blick, dem Herzen sanft Gefühl des Schönen
und Guten mit Vernunft und Wahl begleitet geben.
Die Seele soll durch alle Kräfte und Kraftanwen-
dungen konson gestimmt werden, wie die Leyer Apollos.
In Empfindungen, Sitten und Handlungen muß nicht
weniger Geschmack herrschen, als in Kenntnissen der
Phantasie oder des Verstandes.........
Endlich da Freiheit und Menschengefühl doch allein
der Himmelsäther ist, in dem alles Schöne und Gute
keimt, ohne den es hin ist und verweset: so lasset
uns mehr nach diesen Quellen des Geschmacks, als
nach ihm selber streben. Er ist doch nichts, als Wahr-
heit und Güte in einer schönen Sinnlichkeit, Ver-
stand und Tugend in einem reinen, der Menschheit
angemessenen Kleide. Je mehr wir also diese auf
die Erde rufen, desto tiefer arbeiten wir an Veran-
lassungen, daß er nie mehr bloße Nachahmung, son-
dern mit Philosophie und Tugend gepaart, ein dauern-
des Organum der Menschheit werde. . . . HERDER.
richard bauroth. »FRIEDENS-plakette«