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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Wolfradt, Willi: José de Togores
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0020

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JOSE DE TOGORES.

Man wird den jungen spanischen Maler de
Togores stilistisch weniger aus seinem
andalusisch - katalanischen Geblüt, aus den
künstlerischen Traditionen und Formvorstellun-
gen seiner Heimat ableiten können, als aus der
romanischen Tradition schlechthin und aus der
Erneuerung der romanischen Klassizität im mo-
dernen Paris, wo de Togores seit 1918 lebt.
Wenngleich angesichts seiner still fließenden,
abgewogenen, aufgehellten Malerei Erinnerun-
gen an einen Velasquez nicht ganz fern liegen,
so wird man eine solche Beziehung als eine
rassische bei der Internationalisierung künst-
lerischer Einwirkungen zumal in unserer Zeit
doch nicht für irgend ausschlaggebend erachten
können. Jener neufranzösische Klassizismus
ist freilich eng mit einem anderen Spanier ver-
knüpft, mit Picasso, der ebenso überraschend
wie konsequent aus der Bildmethodologie des
Kubismus einen Stil des präzisen Konturs, der
reinen Linie, der klaren Eindeutigkeit entwickelt

hat. Aber doch auch in jenen melodiös um-
rissenen, ganz auf schmale, beherrschte Zeich-
nung angesehenen Profilen des klassizistischen
Picasso bleibt ein Element versteifender Strenge,
gedehnter Sprödigkeit als Erbschaft grüblerisch-
dogmatischer Absicht unverkennbar, das nicht
zur Harmonie, nicht zur konfliktslos ausge-
gossenen Formenschönheit strebt, sondern eine
romantische, eine archaische, eine fanatische
Irritierung bedeutet, die man ungezwungener
als den Stil de Togores' mit spanischem Geiste
wird im Einklang finden können. Unser Künstler
ist vielmehr aus der pariser Situation heraus zu
erfassen; und wenn dort die Parole des „Ingris-
mus" ausgegeben worden ist, so wird man auch
de Togores unter ihr begreifen dürfen.

Diese ruhevollen, wohlig geschwellten, in
sanft gewölbten Modulierungen ertönenden
Körperformen, deren seidig gespanntes Fleisch
wie von einem Kosen überglitten und in aller
festen Kühle doch von sinnlichem Pulsen be-

XXVII. Oktober 1923. 2
 
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