PROF, HEINRICH STRAUMER. »AUFGANG ZUR TERRASSE«
HAUS UND BAUM.
Haus und Baum wohnen gerne nachbarlich zwischen beiden bildet, ist die Harmonie der
zusammen. Sie haben eine so große wech- Entgegensetzung, und sie enthält soviel Reiz,
selseitige Zuneigung, daß es schwer ist, das daß wir uns unsre Landschaft ohne ihn gar nicht
freundliche Verhältnis zu zerstören. Wenn der mehr denken mögen. Wenn sich mitten durch
Baum das Haus überragt, wie väterlich legt er ein Wald- und Wiesental ein Stück gepflegte
seine Schatten über Dach und Giebel, wie form- Chaussee zieht, mit Prellsteinen in regelmäßi-
voll bauscht sich sein Wipfel am Ende des gern Abstand; wenn Leitungsmaste in langer
schnurgeraden Firsts, wie herrlich fängt er die Linie über einen kahlen Berg steigen; wenn
wagrechten und senkrechten Geraden auf und man von hohem Hügel im tiefen Tal überm Bach
läßt sie in seinem Gezweige sich auflösenI Mit eine winzige Steinbrücke erblickt; wenn ein
Stamm und Ästen organisiert er den Raum. So Waldpfad über Treppen und an Geländern hin-
weit der Schatten eines Baumes fällt, ist der zieht: überall da empfinden wir das Zusammen-
leere Raum voll Sinn und Ordnung, und gesellt treffen von Natur und Menschen werk als eine
sich dazu die Wand und der Körper eines fesselnde Begegnung. Das Steinerne und Ge-
Hauses, dann reicht dieses Ordnende und Ge- rade, das Menschenwerk gibt eine Art Maßstab
staltende weit in die umherliegende Natur. Hebt für die Kraft und Größe, für die Fremdheit
sich umgekehrt ein Bau aus Bäumen empor: der Natur und kommt ihrer Wirkung daher nur
wie schön wird dann der hohe Giebel zur Krö- zugute. Das also ist es, was wir auch bei
nung, zur Steigerung und Sinnerfüllung der der Begegnung von Baum und Haus empfin-
Wipfellinien, die ihn umdrängenI Wohl ist der den: es ist ein Gegensatz und doch ein Zu-
Bau gegenüber der Natur das durchaus Fremd- sammenklang; es ist keine tote, sondern eine
artige und Andre, aber die Beziehung, die sich lebendige, auf Spannung beruhende Harmonie.
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HAUS UND BAUM.
Haus und Baum wohnen gerne nachbarlich zwischen beiden bildet, ist die Harmonie der
zusammen. Sie haben eine so große wech- Entgegensetzung, und sie enthält soviel Reiz,
selseitige Zuneigung, daß es schwer ist, das daß wir uns unsre Landschaft ohne ihn gar nicht
freundliche Verhältnis zu zerstören. Wenn der mehr denken mögen. Wenn sich mitten durch
Baum das Haus überragt, wie väterlich legt er ein Wald- und Wiesental ein Stück gepflegte
seine Schatten über Dach und Giebel, wie form- Chaussee zieht, mit Prellsteinen in regelmäßi-
voll bauscht sich sein Wipfel am Ende des gern Abstand; wenn Leitungsmaste in langer
schnurgeraden Firsts, wie herrlich fängt er die Linie über einen kahlen Berg steigen; wenn
wagrechten und senkrechten Geraden auf und man von hohem Hügel im tiefen Tal überm Bach
läßt sie in seinem Gezweige sich auflösenI Mit eine winzige Steinbrücke erblickt; wenn ein
Stamm und Ästen organisiert er den Raum. So Waldpfad über Treppen und an Geländern hin-
weit der Schatten eines Baumes fällt, ist der zieht: überall da empfinden wir das Zusammen-
leere Raum voll Sinn und Ordnung, und gesellt treffen von Natur und Menschen werk als eine
sich dazu die Wand und der Körper eines fesselnde Begegnung. Das Steinerne und Ge-
Hauses, dann reicht dieses Ordnende und Ge- rade, das Menschenwerk gibt eine Art Maßstab
staltende weit in die umherliegende Natur. Hebt für die Kraft und Größe, für die Fremdheit
sich umgekehrt ein Bau aus Bäumen empor: der Natur und kommt ihrer Wirkung daher nur
wie schön wird dann der hohe Giebel zur Krö- zugute. Das also ist es, was wir auch bei
nung, zur Steigerung und Sinnerfüllung der der Begegnung von Baum und Haus empfin-
Wipfellinien, die ihn umdrängenI Wohl ist der den: es ist ein Gegensatz und doch ein Zu-
Bau gegenüber der Natur das durchaus Fremd- sammenklang; es ist keine tote, sondern eine
artige und Andre, aber die Beziehung, die sich lebendige, auf Spannung beruhende Harmonie.
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