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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Niebelschütz, Ernst von: Was ist der Sinn der Kunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0023

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JOSE DE TO GORES.

WAS IST DER S:

VON ERNST V.

Kunst, du Unerforschliche! Alle tragen dich
auf der schnell beweglichen Zunge. Wenige
im Herzen. Wer aber hätte dir je bis auf den
Grund gesehen, daß er sagen könnte : s o und
nicht anders darfst du sein!J

Die Törichten! Aus Trümmern nachgelasse-
ner Größe haben sie ein Götzenbild sich zu-
sammengeflickt, es auf ein Postament gestellt
und in Weihrauchduft gebadet. Sie nennen es
das „Ideal" und spüren nicht den Leichen-
hauch, der aus seinen gedruckten Tempeln
strömt. Tausende plappern's ihnen nach, hul-
digen anbetend dem starren Fetisch, messen
die junge Schönheit an ihm, vergleichen und —
verwerfen.

Andere tasten mit den groben, ungeistigen
Organen ihres Leibes das Bild der ewig sich
wandelnden Natur ab, und wenn sie einen
Fetzen ihres Gewandes in den Händen haben,
so frohlocken sie: Dies ist die Wirklichkeit!
Hier, Künstler, übe dich! Und sobald es dann
aufs Haar stimmt, nichts unterschlagen, nichts
hinzugefügt ist, dann feiern sie das armselige
Klischee mit lauten Hosianna-Rufen, ohne den
unerbittlichen Pendelschlag der Zeit zu ver-
nehmen, unter dessen leiser Ticktack-Musik
das für seiend Gehaltene schon im nächsten

GEMÄLDE »BILDNIS«

INN DER KUNST?

NIEBELSCHÜTZ.

Augenblick wieder zu Grabe getragen ward.

— Die dritten rufen: Kunst kommt von Kön-
nen I und verdrehen die Augen, wenn sie einen
geschickten Taschenspieler weiße Mäuse ver-
schlingen und als Bratwürste wieder von sich
geben sehen.

Andere wieder suchen im Bilde nur sich
selber: ihr kleines bedürftiges Ich mit allen
seinen offenen oder versteckten Begierden nach
Kurzweil und Unterhaltung, auch wohl Beleh-
rung und Besserung. Denn so nennen sie be-
schönigend ihren Heißhunger nach Stoff. Sie
gleichen den Kindern, die mit neugierigem
Finger die Kleie aus der Puppenform holen in
dem Glauben, der Inhalt sei doch die Hauptsache.

Und dann gibt's solche, die wunder was ge-
sagt zu haben wähnen, wenn sie der Kunst
nachrühmen, sie sei Zier und Schmuck des
Lebens. Das ist sie auch, nur nicht so, wie die
unter dem Joch ihrer Pflichten bucklig Gewor-
denen es meinen, die da glauben, mit hübschem
Flittertand die Blößen ihrer Enttäuschung be-
decken zu können. Auch sie haben ihren Lohn
dahin. Denn sie rationieren die immer Unteil-
bare nach dem ersten Lehrsatz ihrer lauen Weis-
heit; Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

— Und so schallt es aus allen Winkeln: Die
 
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