Was ist der Sinn der Kunst?
JOSE DE TOGORES. »RUHENDES MÄDCHEN«
Kunst soll! — Sie aber, die freie, spottet Gnade, dem Künstler. Der aber trägt die
unseres Witzes und scheint sich darin zu ge- hohe Offenbarung als sein kostbarstes Geheim-
fallen, in jedem Moment gerade das Gegenteil nis durch die alles zerschwatzende Zeit. Weiß
dessen zu sein, was Wunsch und Wahn aus ihr er doch: redend verdorrt ihm die Kraft Denn
machen. Von allem ist sie etwas und im ganzen Wundertäter soll er sein, nicht Wunder-
doch nur sich selber gleich. Aber was sie ist, erklär er.
sinnt und plant: unser Scharfsinn wird es ebenso Das Wort ist gefallen, schwer wie ein Senk
wenig ergründen wie ein Löffel das Weltmeer blei. Das Wunder! In einer entzauberten
auszuschöpfen vermag. Welt, die alles Wunderbare verfolgt mit dem
Unter tausend Gestalten verbirgt sie sich — ganzen Haß ihrer hintergrundslosen Vernünftig
immer neu, immer anders und immer rätselhaft, keit. Sind Wunder etwa Tatsachen? Sind sie
Erhaben ist sie und voll Anmut, verschlossen münz- und wägbar? Weg mit dem Wunder!
und schnell zugänglich, weisheitsvoll und über- Aber die Kunst wird bleiben weil sie nur
mütig: von jeder Eigenschaft, die man ihr an- mit der Menschheit selber zu sterben vermaß
dichtet, trägt sie auch schon die Ergänzung in Nicht für immer kann der Mensch des Gottes
sich. Wem sie heute recht zu geben scheint, entraten, der ihn das Vergängliche zu seinem
der schilt sie morgen bereits ihres Wankelmuts Gleichnis machen heißt. Der ihn das Leib
wegen. Wie vielen hat sie nicht schon eine erzeugte mit Augen des Geistes sehen lehrt"
Narrenkappe auf das allzu gedankenreiche Der ihm die uralte Frage nach dem S i n n der
HuUPiftTutu- J !m gibt 8if Skllgan^ DiDge' Dkht ihrem Zweck> a"f ^e Lippen legt
ohne Rückhalt hins dem mit versiegeltem Mund Denn alles dies vermag die Kunst als seine
an ihr Schaffenden, dem demütigen Gefäß ihrer gütigste Auslegerin und Mittlerin. Das göttliche
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JOSE DE TOGORES. »RUHENDES MÄDCHEN«
Kunst soll! — Sie aber, die freie, spottet Gnade, dem Künstler. Der aber trägt die
unseres Witzes und scheint sich darin zu ge- hohe Offenbarung als sein kostbarstes Geheim-
fallen, in jedem Moment gerade das Gegenteil nis durch die alles zerschwatzende Zeit. Weiß
dessen zu sein, was Wunsch und Wahn aus ihr er doch: redend verdorrt ihm die Kraft Denn
machen. Von allem ist sie etwas und im ganzen Wundertäter soll er sein, nicht Wunder-
doch nur sich selber gleich. Aber was sie ist, erklär er.
sinnt und plant: unser Scharfsinn wird es ebenso Das Wort ist gefallen, schwer wie ein Senk
wenig ergründen wie ein Löffel das Weltmeer blei. Das Wunder! In einer entzauberten
auszuschöpfen vermag. Welt, die alles Wunderbare verfolgt mit dem
Unter tausend Gestalten verbirgt sie sich — ganzen Haß ihrer hintergrundslosen Vernünftig
immer neu, immer anders und immer rätselhaft, keit. Sind Wunder etwa Tatsachen? Sind sie
Erhaben ist sie und voll Anmut, verschlossen münz- und wägbar? Weg mit dem Wunder!
und schnell zugänglich, weisheitsvoll und über- Aber die Kunst wird bleiben weil sie nur
mütig: von jeder Eigenschaft, die man ihr an- mit der Menschheit selber zu sterben vermaß
dichtet, trägt sie auch schon die Ergänzung in Nicht für immer kann der Mensch des Gottes
sich. Wem sie heute recht zu geben scheint, entraten, der ihn das Vergängliche zu seinem
der schilt sie morgen bereits ihres Wankelmuts Gleichnis machen heißt. Der ihn das Leib
wegen. Wie vielen hat sie nicht schon eine erzeugte mit Augen des Geistes sehen lehrt"
Narrenkappe auf das allzu gedankenreiche Der ihm die uralte Frage nach dem S i n n der
HuUPiftTutu- J !m gibt 8if Skllgan^ DiDge' Dkht ihrem Zweck> a"f ^e Lippen legt
ohne Rückhalt hins dem mit versiegeltem Mund Denn alles dies vermag die Kunst als seine
an ihr Schaffenden, dem demütigen Gefäß ihrer gütigste Auslegerin und Mittlerin. Das göttliche
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