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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Niebelschütz, Ernst von: Was ist der Sinn der Kunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0027

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Was ist der Sinn der Kunst?

jose de togores. »frauen-bildnis«

Schlüsselamt auf Erden ist ihr anvertraut. Sie wirft: anders und größer als er es empfangen,

öffnet die geheime Pforte, die den sehend Ge- — Sie verfolgt keine Zwecke und Ziele und

wordenen in das Innerste des Weltgeschehens lächelt über uns Toren, wenn wir ihr ewiges

führt. Sie gestaltet das grenzenlose Chaos. Verwandlungsspiel „Fortschritt" heißen. Was

Das Gewöhnliche erhebt sie zum Ungemeinen, einmal groß war, kann nie wieder klein werden.

Was sie erwählt hat, ist entsündigt vom Makel Wo und wann sie sich gibt, da tut sie es völlig,

der Stofflichkeit. Verwandelt in seines Wesens und diese ganze bunte Welt der Sichtbarkeit

Kern gehört es einer neuen Rangordnung an, dient ihr als Vorwand, nur sich selbst und

in der das Unmögliche möglich ist. immer wieder sich selbst auszudrücken. Kein

Sie duldet die gewissenhafte Richtigkeit, aber Ding zieht sie dem andern vor. Denn sie weiß:
sie fordert sie nicht. Auch dem Willkürlichen ein jedes nimmt ja auf seine Art an dem Wir-
versagt sie ihr Ja und Amen nicht, wenn es ken der einen göttlichen Urkraft teil, deren
nur groß und stark ist. Das Häßliche gar, das Selbstdarstellung sie ist. Kunstverständnis?
verstoßen und gebannt, schutzflehend ihr naht, Was heißt das? Soll der Kopf Richter sein?
macht sie zum Sinnbild unermeßlicher Würden. Die Kunst heischt Glauben und Vertrauen. Nicht
Ja, ihre Duldsamkeit ist grenzenlos. An die jedem ist's gegeben. „Denn an das Göttliche
Maschine allein, die Seelenmörderin, hat sie glauben die allein, die es selber sind", e. v n.
ihren Unsegen geheftet. &

Worauf liebend ihr Auge ruht, das entreißt T~^\'e Blicke kehren sich ab vom Augenblick-
sie der fliehenden Sekunde und gibt ihm die \_J liehen und Vergänglichen, und stellen sich
Form ewigen Lebens. Wer die Kunst den ein auf das Bleibende. Wer ein Herz hat für die
„Spiegel der Zeiten" nennt, versteht sie, aber Regungen des Zeitgeistes, der spürt heute, daß
er versteht sie nur halb; er meinte denn jenen wir auf die Fundamente gekommen sind, und
magischen Kristall, der das Bild der Sinne daß wir sie breiter und tief er im Schoß der Erde
verklärt, vom blinden Zufall gereinigt, zurück- zu verankern streben.............. h. r.
 
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