WAS VIELEN HEUTIGEN BAUHERREN FEHLT.
Ein Architekt erzählte gelegentlich eines Vor- kenntnis und Kunstverständnis gehabt haben,
träges, den er unter Berufskollegen hielt, als die Bauherren von heute, die sich meist nichts
Michelangelo hätte dem Bauherrn der Peters- vorstellen können, nichts verstehen, denen die
kirche, dem Papst Julius IL, wohl Grund- und farbenprächtigste Perspektive nichts sagt.
Aufriß, nicht aber die Perspektive seines Ent- Die Reichen heutiger Zeit — das darf man
Wurfes vorgelegt. Denn so folgerte der Ar- schon sagen — wohnen in Wahrheit wie Bettler!
chitekt, es sei allzuleicht und billig, durch ge- Was fehlt diesen jüngsten Bauherren, warum
fällige Licht- und Schattenwirkung, malerischen sehen sie nicht wie die ehemaligen Baufürsten?
Hintergrund, durch realistisches Beiwerk aller Es fehlt ihnen der angeborene Sinn für richtiges
Art dem Laien ein Phantasieprodukt, ein Luft- Wohnen, der angeborene Geschmack für das
schloßsozusagenseinerWünschevorzuzaubern, Schöne. Sie wissen nicht, daß Bauen, Ein-
dem dann die Wirklichkeit nicht entspräche. richten und Wohnen eine Lebensfrage und
Das ist nun freilich wahr! Zudem wird jener keineLaune sein sollen, daß an einzelnen Bildern,
Papst, dem der sachliche Entwurf seines Bau- GobeÜns und Möbeln in früheren Zeiten fast ein
meisters zu genügen schien, wohl mehr Kunst- halbes Menschenalter gearbeitet worden ist.
J. BERGER,
M. ZIEGLER-
W I E N.
«SCHREIB-
TISCH«
XXVII. November 1923. 5
99
Ein Architekt erzählte gelegentlich eines Vor- kenntnis und Kunstverständnis gehabt haben,
träges, den er unter Berufskollegen hielt, als die Bauherren von heute, die sich meist nichts
Michelangelo hätte dem Bauherrn der Peters- vorstellen können, nichts verstehen, denen die
kirche, dem Papst Julius IL, wohl Grund- und farbenprächtigste Perspektive nichts sagt.
Aufriß, nicht aber die Perspektive seines Ent- Die Reichen heutiger Zeit — das darf man
Wurfes vorgelegt. Denn so folgerte der Ar- schon sagen — wohnen in Wahrheit wie Bettler!
chitekt, es sei allzuleicht und billig, durch ge- Was fehlt diesen jüngsten Bauherren, warum
fällige Licht- und Schattenwirkung, malerischen sehen sie nicht wie die ehemaligen Baufürsten?
Hintergrund, durch realistisches Beiwerk aller Es fehlt ihnen der angeborene Sinn für richtiges
Art dem Laien ein Phantasieprodukt, ein Luft- Wohnen, der angeborene Geschmack für das
schloßsozusagenseinerWünschevorzuzaubern, Schöne. Sie wissen nicht, daß Bauen, Ein-
dem dann die Wirklichkeit nicht entspräche. richten und Wohnen eine Lebensfrage und
Das ist nun freilich wahr! Zudem wird jener keineLaune sein sollen, daß an einzelnen Bildern,
Papst, dem der sachliche Entwurf seines Bau- GobeÜns und Möbeln in früheren Zeiten fast ein
meisters zu genügen schien, wohl mehr Kunst- halbes Menschenalter gearbeitet worden ist.
J. BERGER,
M. ZIEGLER-
W I E N.
«SCHREIB-
TISCH«
XXVII. November 1923. 5
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