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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Hamann, Richard: Alexander Kanoldt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0125

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Alexander Kanoldt.

ALEX AN DER KANOLDT. BESITZER: DIREKTOR BORST-STUTTGART. »WINTER« 1922.

tik ein Kasten- und Blockgefüge wie bei einer
Fabrikstadt mit Schornsteinen, und man denkt
an das schöpferische Getriebe industrieller
Zentren. Blumen erstarren zu gläsernen For-
men von seltsam kunstgewerblichem Charakter.
Die Farben haben etwas von Edelrost oder den
bestimmten Klang gefärbter Dinge. Er liebt die
Gegenstände, in denen schon menschliche Ar-
beit die klare, geometrische Form vorgebildet
hat, oder die Natur selbst sich wie künstlich
gibt, die ruhigen Flächen von Büchern, die ein-
fachen Formen zierloser Vasen, Kannen, Töpfe,
die strengen Linien von Brettern und Regalen,
die massigen Blätter von Gummibäumen, die
schmucklosen Blöcke italienischer Häuser und
Türme (San Gimignano). Er ist einfach im
Gegenständlichen bis zur Öde.

In dieser Sphäre des Künstlichen gilt es in
erhöhtem Maße Kunst zu beweisen. Die Fein-
fühligkeit, mit der auf Kanoldts Bildern die
Verhältnisse abgewogen, die Massen harmoni-
siert, die Farben abgestimmt, bezogen, inein-
anderübergeführt sind, ist ungemein. Er ver-
blüfft, wie er aus einfachster Rechnung — 2X2
— ein Rätsel und eine geistreiche Lösung macht.
Es gibt Bilder, in denen eine architektonische

Grundrißzeichnung, ein Gerippe eines Bildes,
ein Gerüst eines Baues dogmatisch, doktrinär
vorgetragen scheinen, und die monumental wir-
ken und zugleich durch einen zwingenden
Rhythmus der Linien und ein darunter Liegen-
des der Farbe bezaubern.

Der künstlerische Wille spricht in dieser Über-
windung der Malerei zum kunstvollen Gebilde
besonders stark, da zugleich hinter allem eine
sichtbar und bestimmt sich im Bilde ausdrücken-
de, bis zum letzten gehende künstlerische Ar-
beit und in nichts nachlassende Technik steht.
Die hohe Überlegtheit in allen Bildern macht
besonders fühlbar, wie nicht der Eindruck von
Natur vermittelt, sondern die schöpferische Ar-
beit künstlerischer Gedanken sprechen soll.
Die Bilder offenbaren die kühle Besonnenheit
strenger Form und wirken doch mit der Inten-
sität meisterlicher Vollkommenheit. Sie schreien
und stammeln nicht von Gefühlen und Ängsten
einer Menschenseele, sondern sprechen deut-
lich und energisch von der schöpferischen Kraft
eines bildenden Künstlers. Das Edle der Ma-
lerei als solcher, der malerischen Materie und
des Materiales kommt dabei ebenso zur Geltung
wie die innere Logik des Bildgedankens.
 
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