Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

DOI Artikel:
Schwabacher, Sascha: Zur Psychologie der Mode
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0151

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Psychologie der Mode.

HUGO TROENDLE—MÜNCHEN. bes: hADISCHe kunsthalle-karlsruhe. GEMÄLDE »DIE BRÜCKEc

sächlich, knapp und knabenhaft. Das maschi- nahe obszönen Linie der innigsten Gemeinschaft

nelle Bedürfnis nach Ausschaltung der indivi- bewegen, sind nicht so gefährlich wie sie tun.

duellen Vitalität (und das Verstecken des per- Das weiß der Eingeweihte. Sie sind das kalte

sönlichen Ichs hinter der Maske), die Freude Abbild einer gesunden Sinnenfreude. So wird

an der vollkommenen Technik scheint sich in der elementare Trieb des Tanzes in sportliche

den Gesichtern widerzuspiegeln, die wie Por- Technik u. ästhetisches Schaustück verzaubert,

zellanköpfe emailliert sind, in den bis in die Es ist kein Widerspruch, daß die Frauen die

Mundhöhle geschminkten, karminroten Lippen, äußersten Anstrengungen zur körperlichen An-

in den wie Vorhänge das Gesicht umrahmen- ziehung machen. Noch immer haben dekadente

den Haaren, die jede Besonderheit auszuglei- Epochen, — in der Mode, in der Liebe, wie in

chen suchen. der Religion, — an die Stelle der mangelnden

Man sieht nicht mehr die schöne Frau, Intensität die Extravaganz der Ausschweifung

prangende Hüften oder die Schultern der Diana, gesetzt. In Großstädten haben reiche Frauen,

Man sieht die petite femme, die hübsch genug beim Diebstahl erwischt, gestanden, daß sie die

ist, wenn sie nicht häßlich ist. . . Der Schmiß, Aufregung, die Geschicklichkeit der Berufs-

der kostspielige Chic haben den Rang der diebe zur Erprobung ihrer Kräfte gereizt habe.

Schönheit eingenommen, und wo Körper und Dieselbe Triebkraft, die die Industrie zu immer

Tanz versuchen durch Biegungen und Ver- raffinierteren Leistungen anspornt, die im Kino

renkungen die Kleiderhülle gleichsam aufzu- halsbrecherische Kunststücke macht, die den

heben, entsteht nur eine flache, unwesenhafte Dieb zum Fassadenkletterer entwickelt, hat

Symbolik der Erotik. Es wird zu Unrecht viel auch das Ewigste, das Verhältnis der Geschlech-

geschrieben über die Lasterhaftigkeit der mo- ter und ihr heiteres Kind, die Mode, in ihrem

dernen Welt. Die Tänze, die sich in der bei- Ausdruck verwandelt. . . Sascha schwabacher.
 
Annotationen