Obwohl man heute vom Kunstwerk nicht Na-
türlichkeit verlangen würde, vielmehr gerade
die Autonomie des Künstlichen bis zum
Fanatismus verficht, erkennt man den Wahr-
heitswert einer Gestaltung eben darin, daß sie
die innerste Natur ihres Materials formend aus-
prägt und also in einem tieferen Sinne als dem
des herkömmlichenNaturalismus naturgemäß ist.
Was die alte Einstellung revolutioniert hat,
das ist die Entdeckung der Produktivität
des Materials. Auch Sempera Stilbegriff
versuchte bereits, dem Gebilde die innere Logik
des Gewachsenen zu sichern und so die dünkel-
hafte Auffassung zu überwinden, als ob der
Gestaltende souverän mit seinem Material schal-
ten könne, nach den Launen seiner dekorativen
Neigungen. Erst der Gegenwart aber ist zum
Bewußtsein gekommen, daß alles rechte Ge-
stalten ein Befolgen ist. Küristlerschaft ist
die persönliche Hingabe an die Gegebenheiten,
die in ihnen Aufgaben erspürt, und befragend
sie zur Entfaltung erlöst, — jene visionäre Gläu-
bigkeit, die das Gegebene als Material einer
schöpferischen Selbstentfaltung wahrnimmt. —
Der Begriff des Materials darf nicht etwa auf
das stoffliche Substrat im gröbsten Sinne ver-
engt werden, sondern Material ist Alles, was
anfangs gegeben ist und im Gestaltungsprozeß
verwandelt wird. Ist etwa die flächige Gebun-
denheit eines Gemäldes zum Material maleri-
schen Gestaltens gemacht, so gilt es, auch
diese thematische Gegebenheit als Aufgabe zu
erfassen und aus ihr den formalen Ausdruck
der Flächigkeit als einen das Ergebnis mitbe-
stimmenden sich erzeugen zu lassen. Und wie
heute das Haus in seiner Gestalt mehr und mehr
vom Wesen des Steins, des Wohnens usw. aus
bestimmt, also formal aus seinem Material ent-
wickelt wird, so sehen wir nun in allen Künsten
das deutliche Bestreben, die elementaren Ge-
gebenheiten auszubilden, — in der Malerei etwa
das Eigenleben der Farbe, in der Raumgestal-
tung das Dimensionale, die Höhendifferenzen,
in der Dichtung die Produktivität der Sprache,
des Lautlichen usw. Die Wurzel aller moder-
nen Gestaltung ist die bis zur Verabsolutierung
sich versteigende Anerkennung der produk-
tiven Kräfte im künstlerischen Material. — w.
türlichkeit verlangen würde, vielmehr gerade
die Autonomie des Künstlichen bis zum
Fanatismus verficht, erkennt man den Wahr-
heitswert einer Gestaltung eben darin, daß sie
die innerste Natur ihres Materials formend aus-
prägt und also in einem tieferen Sinne als dem
des herkömmlichenNaturalismus naturgemäß ist.
Was die alte Einstellung revolutioniert hat,
das ist die Entdeckung der Produktivität
des Materials. Auch Sempera Stilbegriff
versuchte bereits, dem Gebilde die innere Logik
des Gewachsenen zu sichern und so die dünkel-
hafte Auffassung zu überwinden, als ob der
Gestaltende souverän mit seinem Material schal-
ten könne, nach den Launen seiner dekorativen
Neigungen. Erst der Gegenwart aber ist zum
Bewußtsein gekommen, daß alles rechte Ge-
stalten ein Befolgen ist. Küristlerschaft ist
die persönliche Hingabe an die Gegebenheiten,
die in ihnen Aufgaben erspürt, und befragend
sie zur Entfaltung erlöst, — jene visionäre Gläu-
bigkeit, die das Gegebene als Material einer
schöpferischen Selbstentfaltung wahrnimmt. —
Der Begriff des Materials darf nicht etwa auf
das stoffliche Substrat im gröbsten Sinne ver-
engt werden, sondern Material ist Alles, was
anfangs gegeben ist und im Gestaltungsprozeß
verwandelt wird. Ist etwa die flächige Gebun-
denheit eines Gemäldes zum Material maleri-
schen Gestaltens gemacht, so gilt es, auch
diese thematische Gegebenheit als Aufgabe zu
erfassen und aus ihr den formalen Ausdruck
der Flächigkeit als einen das Ergebnis mitbe-
stimmenden sich erzeugen zu lassen. Und wie
heute das Haus in seiner Gestalt mehr und mehr
vom Wesen des Steins, des Wohnens usw. aus
bestimmt, also formal aus seinem Material ent-
wickelt wird, so sehen wir nun in allen Künsten
das deutliche Bestreben, die elementaren Ge-
gebenheiten auszubilden, — in der Malerei etwa
das Eigenleben der Farbe, in der Raumgestal-
tung das Dimensionale, die Höhendifferenzen,
in der Dichtung die Produktivität der Sprache,
des Lautlichen usw. Die Wurzel aller moder-
nen Gestaltung ist die bis zur Verabsolutierung
sich versteigende Anerkennung der produk-
tiven Kräfte im künstlerischen Material. — w.