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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Osborn, Max: Franz Heckendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0184

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F. HECKEN-
DORF-BERLIN.
»HAFEN VON
SPALATOc

FRANZ HECKENDORF.

VON MAX OSBORN.

Die veränderte Zeit beschwört aufs Neue
alte Sitten aus der verklungenen roman-
tischen Epoche vor hundert Jabren, da nach
den Gewitterstürmen der napoleonischen Kriege
in Deutschland ähnlich wie heute Verarmung
und Ermattung das Wort führten. Was damals
ein alltäglicher Vorgang war: daß eine Gruppe
befreundeter Künstler eine Studienfahrt in ferne
Lande unternahm, womöglich gar begleitet von
ihren „respektiven Gesponsen" — wärein den
Jahren des berühmten deutschen Wohlstandes
vor 1914 kaum möglich gewesen; heute erleben
wir es wieder.

Wenn es einem Volk und seinen Einzel-
gliedern gut geht, so ist jeder ein großer Mann
für sich. Der Egoismus blüht, von einer engeren
Gemeinschaft, von einer wirklichen Geselligkeit,
die den Namen verdient, ist wenig die Rede.
Vor dem Kriege flitzte man mit der Eisenbahn
in alle Weilgegenden, ohne Paß, ohne viel Geld
in der Brieftasche, denn es gab ja telegraphische
Postanweisungen, und ein Kreditbrief auf eine
ausländische Bank war eine schlichte Sache. Das
alles erforderte keine besondere Aktion. Man
entschloß sich schnell, man schnupperte durch
fremde Kulturen, kehrte hastig wieder heim,
und wiederholte das wohl gar mehrmals im
Jahre. Es kostete ja letzten Endes alles wenig

oder nichts. Die Gemeinschaft bestand darin,
daß jeder sich auf die Macht des scheinbar
unerschütterlich gefügten Staates verließ. Die
Geselligkeit darin, daß man sich zu Diners und
Soupers und saftigen Symposien einluden denen
man sich gegenseitig zu übertrumpfen suchte.

Das ist heute anders geworden. Ich rede
nicht von den paar hundert oder paar tausend
sogenannten „Glücklichen", die, wie man so
schön sagt, „die Zeit verstehen" und „in die
Welt passen", will sagen von den spekulativen
Köpfen und divisengeschwollenen Jünglingen,
die in den Zeiten der Not nicht nur keinen
Mangel kennen, sondern lachend ihre Taschen
üppiger denn je füllen. Sondern von dem, aller-
dings nicht mehr allzu stattlichen Rest geistiger
Menschen in Deutschland, die dem Gewoge
der Schieberei von Anfang an machtlos und
ratlos gegenüberstanden und sich gezwungen
sahen, ein neues Leben aufzuzimmern. Sie ent-
deckten mehr und mehr, soweit sie sich über-
haupt noch über Wasser halten konnten, daß
von der „Pauvrete" nicht nur die Armut her-
kommt, sondern auch ein sanfter Zwang, die
kurze Wanderschaft auf diesem Planeten mehr
von Innen her zu begreifen und zu gestalten.
Zwischen ihnen herrscht heute eine ganz andere,
bessere Verbundenheit als in den Tagen des

XXVII. Januar 1924. 1
 
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