Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

DOI Artikel:
Osborn, Max: Franz Heckendorf
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0190

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Franz Heckendorf.

S. HECKENDORF—BERLIN. »SOMMERTAG«

Sie würden auch ohne den Krieg nicht mehr eine Straße über die andere hinblickt. Lustig
mit jener ausschließlichen Einseitigkeit, die vor sprüht alles vor Farbe, blendend weiße Mauern
einem Menschenalter an der Tagesordnung war, mit bläulichen Schatten, rote Dächer, schwarz-
nur nach Paris und immer wieder nach Paris dunkle Bogendurchgänge, grüne Fensterläden,
fahren. Ein entscheidender Unterschied frei- bunt aufgepinselte Inschriften. Doppelt lustig
lieh besteht zwischen heute und damals. Wir diese gedrängten Formen und Farben, da sie
sind inzwischen durch die Jahre der Befreiung zwischen den imposanten Größen von Meer
der Farbe und der selbstherrlichen Aufrichtung und Gebirge liegen, gegen beide sich verteidi-
des persönlichen Willens gegangen. Niemals gend, von beiden ihr Existenzrecht erkämpfend,
würden die Koch und Preller eine südliche Belustigend fast die winzigen Gestalten der
Landschaft gemalt haben wie Heckendorf. Nie- Menschen auf den sonnigen Plätzen, auf den
mals würde Heckendorf einen Entwurf schaffen, breiten Kais, auf den schmalen Molen; wie In-
der jenen Meistern gliche. sekten kribbeln sie herum.

Es schadet gar nichts, daß wir bei diesen Hier konnte man nach Herzenslust eine Kom-
Gemälden auch etwas von der Herrlichkeit der position von großem Zug entfalten. Weit aus-
Gegend mitgenießen, die den Anlaß zu ihnen holende Kurven schneiden in fröhlichen Schwin-
bot. Das ist nicht „Erzählung", „Literatur" gungen über die Fläche. Aber nicht von unge-
oder „Vedutenmalerei". Es ist nur der Abglanz fähr; es ist dafür gesorgt, daß ihnen die Wage
des befreienden Gefühls, das der Maler selbst gehalten wird. Alles grüßt sich in Korrespon-
in sich spürte, als er Ragusa und Spalato und sion, in wohlberechnetem, doch ganz leicht ge-
Castelnuovo erblickte und in seinen Malereien ratenem Ausgleich von Linien, Formen und
neu erschuf. Man fühlt, wie er sich nicht satt- Farben. Klarer fast noch als in den Städte-
sehen konnte an dem Auf und Ab der Stadt- bildern entfaltet sich der Aufbau, wenn nur
formen, mit denen das Baugenie von Jahrhun- Gebirge und Meer und Inseln miteinander
derten diese märchenhaften Nester hinzauberte, streiten. Heckendorf stieg in die Höhe und
halb Seeräuber-Residenzen, halb orientalische blickte hinunter auf das große Wasser, aus dem
Häfen, mit einer Beimischung italienischer Stadt- einzelne Felsklippen wie Walfischrücken auf-
ordnung. Immer wieder stößt eine Landzunge tauchten. Bis an die Grenze des Horizonts
ins Wasser vor und zieht sich in eleganter Kurve zieht sich die Schar dieser Rücken, wo sie
wieder zurück. Terrassen bauen sich auf, daß übergehen ins Gewölk, dessen Formation das

183
 
Annotationen