Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

DOI Artikel:
W.: Von der Freude
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von der Freude.

Welt verhäßlichend auf- äp&L, £en — a^s Endergebnis
faßte. — So betrachtet, iJ ' bleibt Armut oder Spitz-
enthält dieses Urteil in der ^Dä^P^^pKä« findigkeit oder eine kleine,
Tat eine Wahrheit. Es trifft »'-*%• enge Ichbehauptung, nie
sicherlich nicht zu, daß die oder selten schlägt ein po-
Kunst nur auf schöne Ob- <SsJm- sitives Lebensgefühl durch,
jekte oder gar auf ein „ver- weder als ein maßgebendes
schönerndes" Weltbild an- ?yl Ringen mit den Mächten
gewiesen sei. Der nächste noch als ein wirkliches er-
beste Grünewald oder Bai- kämpftes Glück. — Man
dung oder Dürer oder Ro- hat von der „musikalischen
dinoderRembrandtwider- Freude" gesprochen: wie
legt diesen Aberglauben die Musik alles, was sie
undzeigt, wie herrlich auch aus der Seele hervorholt,
das Häßliche zu einem nicht nur zum Klang, son-
künstlerischen Weltbild dem auch zur Freude
von unerhörter „Schön- macht, und besonders das
heit" beitragen kann. Aber Dunkle, Schmerzliche, das
Freude ist ganz sicher Gärende und Tobende,
ein wesentliches Element M selbst die Verzweiflung,
der Kunst und ihrer Wir- JH Alles wird im Erklingen
kung. Und daist zu sagen, B positiv, alles wird Freude,
daß dieses Element „Freu- Schönheit und Lebensmeh-
de" der neuen Kunst in ■ rung. Dies gehört aber
bedenklichem Grad ver- nicht der Musik allein (ob-
loren gegangen ist. Was schon es in ihr am deut-
drängt alles an den Kunst- lichsten wird); es gehört
freund heran, welche Fülle allen Künsten, und nie hat
von Schaffen ergießt sich einer, der von der Kunst
alljährlich in die großen „Schönheit" verlangte, et-
Ausstellungen und Salons, BB was anderes damit gemeint
und wie selten ist dabei ( |*v Freude. — Wir haben
dasErlebnis, daß eine herz- soviel von „großer" Kunst
hafte, gesunde Freude in gesprochen,daß wirschließ-
unserm Herzen anklingt, lieh vergessen haben wie
eine Lust des innigen Ver- V selten eigentlich der Unter-
weilens, eine Regung des schied von „großer" und
triebhaften Besitzen-Wol- I „kleiner" Kunst zur Dis-
lens! Wie selten begegnen kussion steht. Viel wich-
wir einem Werke, in dem . *'^er ist es' zu wissen« daß
ein Mensch Welt, Schöp- auch im kleinsten, ärmsten
fung, Leben, Natur ein- Menschen ein Kern von
dringlich auszusprechen Positivität ist, nämlich sein

J • M-xl 1- ^ Wi GUSTI BLÄSI—BERLIN. >KLEINBRONZEc T •1>«,J!^..l. ..-J J~ß__

und sein Mitklingen, Mit- LeDendigsein, und datl es

freuen und Mitschwingen ihmanheimgegebenist,die-

mit den großen oder kleinen Rhythmen des sen Lebenskern treu und sorgsam herauszuar-

Daseins fühlbar zu machen weiß I Wie oft ver- beiten oder einen jener tausend unehrlichen

dünnt und verkargt sich die Welt in diesen Schwindel mit ihm zu treiben, von denen Welt

Werken, wie oft wird sie ausgespannt auf das und Kunst voll sind. Von diesem Lebenskern her

Prokrustesbett eines engen Atelierproblems! ist jeder bemerkenswert und sogar originell, wo-

Sei es, daß die Räume sich engbrüstig zusam- fern er ihn rein und wahr herausstellt. Jeder kann

menziehen, sei es, daß die Bäume sich unter positiv sein, jeder kann Freude spenden, denn

einem innerlichen Winterfrost entlauben und er würde ja nicht leben, wenn ihn nicht irgend

nacktes, technisches Gestänge in eine unatem- eine Freude immer wieder ins Dasein verlockte,

bare Luft heben, sei es, daß der menschliche und diese eine und einmalige, originale Freude

Körper verarmt zu einem System von bestimm- ist er der Welt zu sagen verpflichtet, wenn er

ten manieristischen Kurven und Formdeutun- Künstler ist. Durch sie allein hängt er mit den
 
Annotationen