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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Kolbe, Georg: Begleit-Wort
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0202

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BEGLEIT-WORT.

VON GEORG KOLBE.

Ein sicheres Gefühl sagt mir: arbeiten und
nicht reden. Alles Schaffen, das nicht für
sich selbst spricht, taugt nichts. Trotzdem
können Worte dem Verständnis oftmals gute
Brücken bauen. Viel Kluges wird heute in
Kunstdingen gewußt und ausgesprochen —
hundertmal mehr noch aber parteiisch modi-
sches Gerede. Vor allem: viel zu viel wird ge-
schrieben. Und in diesem Sinne will ich mein
Begleit-Wort kurz fassen.

Sie veröffentlichen hier jüngere und jüngste
Arbeiten von mir. Meine Gegner von rechts
sagen, ich sei mir nicht treu geblieben. Und
die von links nennen meine heutigen Skulpturen
»modern umfrisiert". Der Begriff Gegner auf
dem Gebiet künstlerischer Tätigkeit ist nun
durchaus lächerlich. Entweder — oder! Kunst
oder Nichtkunst! Entweder es handelt sich um
Empfundenes oder um Machwerk. „Mache"
ist für die Partei. — Ich habe keine Prinzipien
und gehöre keiner Partei an. In früheren Jahren

modellierte ich meine Körper unmittelbar vor
der Natur, und arbeitete deshalb in Ton. Ich
suchte vor der Natur das äußere Leben der
Erscheinung — suchte die kleinsten Halblichter
und Halbschatten. Dazu wurden empfindsame
Hände gebraucht. Das nennt heute die Expres-
sionistenpartei einen Fingerspitzen-Bildhauer
und meint es als Schimpfwort.

Meine bekannte „Tänzerin" entstand damals
und behauptet sich trotzdem auch heute noch.
Ich bekenne mich zu dieser Skulptur und ihren
Altersgenossen noch ebenso, wenn ich sie auch
in der zehnfachen Potenz wünschte. Damals
jedoch wußte ich schon, daß ich von der äußeren
Naturerscheinung loskommen wollte (obgleich
die „Tänzerin" bereits etwas mehr ist als bloß
ein vor der Natur modellierter Akt). Ich wußte,
daß ich mehr der Idee des Plastischen nach-
gehen mußte, daß ich meine Skulpturen mehr
„bauen" müßte. Der Weg war lang und wurde
mir schwer. Gott sei Dank! Denn das ist der

'II. Januar 1924. 3
 
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